The Father

Film-Kritik von Carola Krauße-Reim / Titel-Motiv: © Leonine

Die verstörende Welt eines Demenzkranken

Anne kümmert sich liebevoll um ihren Vater Anthony, der in einer luxuriösen Wohnung in London wohnt. Doch seine zunehmende Demenz bringt sie an den Rand der Belastbarkeit, denn Anthony verweigert die Hilfe einer Pflegekraft. Als Anne ihm eröffnet, dass sie London verlassen wird, um zu Paul nach Paris zu ziehen, versteht Anthony die Welt nicht mehr und reagiert verwirrt – in der Wohnung befindet sich plötzlich ein ihm unbekannter Mann, der behauptet, Anthony sei bei ihm zu Gast; die neue Pflegekraft sieht seiner Tochter Lucy zum Verwechseln ähnlich; er erkennt Anne nicht mehr als sie vom Einkaufen zurück kommt und überhaupt scheint die Zeit zu verschwimmen, wenn Dinge immer wieder passieren oder sich in der falschen Reihenfolge wiederholen.

Vom Theaterstück zum Film

Der 2020 beim Sundance Film Festival vorgestellte Film basiert auf einem Theaterstück von Florian Zeller, der auch das Drehbuch schrieb und Regie führte. Das Vater-Tochter-Drama wurde mit Nominierungen und Preisen nur so überschüttet. So erhielt es z.B. bei den Oscars 2021 sechs Nominierungen und schließlich zwei Auszeichnungen – für den besten Hauptdarsteller und das beste adaptierte Drehbuch.

Anthony Hopkins und Olivia Coleman als Vater und Tochter

Mit Anthony Hopkins und Olivia Coleman spielen zwei hochkarätige Schauspieler Vater und Tochter. Die Rollen scheinen auf beide maßgeschneidert zu sein. Vor allem Anthony Hopkins brilliert als stolzer und kultivierter Mann, der langsam an sich und seiner Umwelt verzweifelt.

Die Rolle ist die bis jetzt emotionalste in seiner langen Karriere, sie fordert sein ganzes Können. Gefühle, wie Verzweiflung, Wut und Einsamkeit zeigen sich in jeder noch so kleinen Mimik und Gestik und die Verwirrung ist fast greifbar, wenn Anthony seine Uhr zum wiederholten Male sucht oder seine Angst in Wutausbrüchen zu kaschieren versucht.

Olivia Coleman ergänzt den Part der fürsorglichen Tochter ebenso beeindruckend. Ihre Zerrissenheit zwischen der Liebe zu ihrem Vater und dem Wunsch ein eigenes Leben zu führen, ist in jeder Szene zu sehen und zu spüren. Sie kümmert sich hingebungsvoll, weiß, dass ihr Vater nicht mehr ohne Hilfe auskommt, sieht seinen Verfall und fühlt sich dennoch schuldig, als sie handelt. Ein Dilemma, das vielleicht so manchem Zuschauer bekannt sein dürfte.

Was ist real und was nicht?

Diese Frage stellt man sich während des Films immer wieder. Die Wohnung verändert sich schlagartig; scheinbar bekannte Personen sehen plötzlich anders aus; ein Abendessen wird mehrmals zubereitet, ein Frühstück auch – alles trägt zur Verunsicherung des Zuschauers bei.

Der Film wirkt wie ein Kammerspiel mit reduzierter Kulisse und einem sehr überschaubaren Ensemble - und dennoch ist nichts wirklich greifbar. Anthony ist der Mittelpunkt jeder Handlung, seine Wirklichkeit wird zur Wirklichkeit des Zuschauers und so erkennt man, wie er, erst spät, was Tatsache ist. Das ist auch für den Zuschauer emotional sehr fordernd, garantiert zwar einen packenden Film, kann aber auch sehr verstörend sein, macht nachdenklich und zum Schluss auch sehr traurig.

Fazit

Ein Film, der unter die Haut geht! Hopkins und Coleman entführen mit ihrer „echten Schauspielkunst“ in die Welt eines Demenzkranken und liefern damit ganz großes Kino ab, das emotional fordert und lange nachhallt.

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Fotos: © Leonine

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