Vita & Virginia -
Eine extravagante Liebe
Film-Kritik von Carola Krauße-Reim / Titel-Motiv: © koch films
Ein Leckerbissen für Fans der Autorinnen
Während vielen Literaturbegeisterten heute hauptsächlich Virginia Woolf ein Begriff sein dürfte, war Vita Sackville-West Anfang des 20.Jahrhunderts die Bekanntere. Chanya Button und Eileen Atkins haben den beiden Autorinnen mit dem Film Vita & Virginia ein Denkmal gesetzt. Die Uraufführung fand 2018 während des „Toronto International Film Festival“ statt, die Deutschlandpremiere auf dem „Filmfest München“ 2019.
Zwei außergewöhnliche Frauen finden zueinander
Nach der Veröffentlichung von Mrs. Dalloway durch Virginia Woolf ist Vita Sackville-West fest entschlossen, die Autorin kennenzulernen. Sie selber gilt als extrovertierte, arrogante Aristokratin, die egoistisch einfordert, was sie will, und das meistens auch erhält. Ihre Bisexualität kann sie in der offenen Ehe mit dem Diplomaten Harold Nicholson, der selber gleichgeschlechtliche Partner hat, ungehindert ausleben.
Virginia Woolf ist ein völlig anderer Mensch: Psychisch sehr instabil, mit immer wiederkehrenden depressiven Phasen, ist sie sexuell gehemmt und eher introvertiert; sie öffnet sich anderen nur sehr zögerlich. Doch die beiden Gegenpole finden zueinander - zuerst geschäftlich, denn Vita Sackville-West lässt bald ihre Bücher bei Hogarth-Press, dem Verlag der Woolfs, veröffentlichen; dann folgt bald ein reger privater Briefwechsel, der schließlich in einer sexuellen Beziehung von Virginia und Vita endet. Doch Vita betrügt Virginia mit einer anderen Frau, was diese erst erschüttert und sie dann zu ihrem wohl berühmtesten Werk, Orlando, inspiriert.
Schauspieler retten den Film
Der Film basiert auf dem jahrelangen Briefwechsel der beiden Frauen. Gekonnt bindet das Drehbuch diesen in die Handlung mit ein, indem es Vita und Virgina die Briefe rezitieren lässt. Die Geschichte selbst setzt nach der Veröffentlichung von Mrs. Dalloway ein und katapultiert den Zuschauer mitten hinein in die literarischen Kreise rund um Vita und Virginia. Die Personen werden nicht eingeführt, ihre Beziehungen als bekannt vorausgesetzt. Wer sich noch nicht mit dem Leben von Virginia Woolf oder Vita Sackville-West beschäftigt hat, dürfte sich nur schwer zurechtfinden.
Vor allem die durchaus vorhandenen Längen und die teilweise sehr ausführlichen Details verlangen eingehendes Interesse des Zuschauers. Hier retten nur noch die Schauspieler*innen mit ihrer gekonnt eingesetzten Kunst den Film - allen voran Gemma Aterton als Vita und Elizabeth Debicki als Virginia, die nicht nur optisch die beiden Gegenpole anschaulich verkörpern. Gerade die Zerrissenheit Virginias kommt sehr deutlich zum Ausdruck, doch auch der ausgeprägte Egoismus Vitas ist zu sehen. Die Rollen der Ehemänner sind mit Rupert Penry-Jones als Harold Nicholson und Peter Ferdinando als Leonard Woolf schon rein optisch passend besetzt. Penry-Jones mimt sehr überzeugend die Befürchtung, als Diplomat diskreditiert zu werden, falls die Affäre öffentlich werden sollte; ebenso Ferdinando, der jedoch die Liebe zu Virginia und die Sorge um ihre seelische Gesundheit brillant zeigt. Auch die Nebenrollen, wie Emerald Fennell als Virginias Schwester Vanessa Bell und Gethin Anthony als deren Ehemann Clive Bell sind passend besetzt. Der Clou allerdings ist Isabella Rossellini als Vitas snobistische Mutter Victoria.
Vorgeschichte zu Orlando
Selbst wenn man den Roman Orlando von Virginia Woolf gelesen hat, ist es faszinierend, mit diesem Film quasi seine Vorgeschichte zu sehen. Für die Biografie des Zwitterwesens Orlando ließ sich Woolf durch das Leben von Vita Sackville-West inspirieren. Deren Liebe zu ihrem noblen Elternhaus Knole, das sie als Frau nicht erben durfte, ihr Aufenthalt im Iran und ihre sexuelle Ausrichtung sind als Themen in dem Roman zu finden. Der ist teilweise nicht einfach zu lesen, doch durch die visuelle Unterstützung des Films jetzt besser verständlich. Auch wenn der Film nur etwas für Fans von Vita und Virginia sein dürfte, zeigt er neben der Vorgeschichte zu Orlando ein sehr deutliches Porträt der damaligen Zeit. Die Rolle der Frau, der Versuch der Emanzipation in intellektuellen Kreisen, der Umgang mit Bisexualtität und die immer noch sehr hierarchische Ordnung sind in jeder Einstellung zu spüren.
Fazit
Vita & Virginia ist ein sehenswerter Leckerbissen – jedoch nur für Fans der beiden Autorinnen. Alle anderen dürften sich mit den schlecht eingeführten Charakteren und der manchmal langatmigen Handlung schwer tun.
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Fotos: © koch films
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