09.2013 Redakteurin Rita Dell´Agnese hatte die Gelegenheit dem sympathischen Schweizer Autor einige Fragen zu stellen zu seinem neuesten Werk Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer, zu früheren Werken und der privaten Person hinter dem Schriftsteller.
In meinem Herzen bin ich fünfzehn Jahre alt.
Belletristik-Couch:
Herr Capus, sind Sie ein Menschenfreund?
Alex Capus:
Ja, ich glaube immer noch, dass die Menschen einander eher Brüder und Schwestern als Wölfe sind. Aber wenn ein Freund mich schwer verrät, verzeihe ich nicht leicht.
Belletristik-Couch:
Ihre Protagonisten zeichnen sich durch eine spezielle Gemeinsamkeit aus: Sie schwimmen gegen den Strom. Erkennen Sie sich selber in diesen nonkonformen Charakteren wieder?
Alex Capus:
In meinem Herzen bin ich fünfzehn Jahre alt. Ich glaube an das Gute und weigere mich zu lügen. Und wenn der Mensch das Glück hat, dass er seinen eigenen Weg gehen kann, ist es schön.
Belletristik-Couch:
Was macht für Sie eine Figur lebendig?
Alex Capus:
Wenn sie keine Figur mehr ist – wenn der Leser sie als lebendiges Wesen erkennt und wiedererkennt.
Belletristik-Couch:
Wie stark leben Sie mit Ihren Romanfiguren? Können sie sie verlassen, und sich einem anderen Thema zuwenden, solange der Roman noch nicht fertig geschrieben ist?
Alex Capus:
Meine Helden begleiten mich, wenn ich an einem Roman arbeite, 24 Stunden am Tag. Immer. Das kann lästig sein. Daran merke ich immer, dass ich einen Roman abgeschlossen habe: Wenn ich froh bin, meine Helden los zu werden.
Belletristik-Couch:
Wenn Sie frühere Werke von Ihnen zur Hand nehmen, würden sie diese heute wieder so oder sehr ähnlich aufbauen und schreiben? Oder haben Sie manchmal den Wunsch, korrigierend eingreifen zu können?
Alex Capus:
Na, beim einen oder anderen frühen Buch errötet man schon zart, wenn man hineinschauen muss. Man entwickelt sich ja hoffentlich doch ein wenig. Andrerseits geht vielleicht mit zunehmender Abgeklärtheit die jugendliche Frische und Unbekümmertheit verloren.
Belletristik-Couch:
Welcher von Ihren Romanen steht Ihnen persönlich am nächsten?
Alex Capus:
Ich habe fünf Finger an meiner Hand – welcher ist mir der liebste?
Belletristik-Couch:
Ist die Arbeit als Autor für Sie Beruf oder Berufung?
Alex Capus:
Es ist meine Arbeit und das, was ich am liebsten mache und am besten kann. Aber eine Berufung? Da müsste es ja eine Instanz geben, die mich berufen hat.
Belletristik-Couch:
Welchen Aspekt am Schreiben mögen Sie besonders – welchen weniger?
Alex Capus:
Am liebsten mag ich den Zauber des Augenblicks, in dem – man weiss nicht, woher – etwas Schönes gelingt. Am wenigsten mag ich erzählerische Pflichtstrecken, die man einfach in Anstand hinter sich bringen muss, weil das grosse Ganze es verlangt.
Belletristik-Couch:
Welcher Moment erfüllt sie eher mit Freude und Genugtuung: Wenn ein Roman vom Verlag angenommen wird, wenn die letzte Zeile geschrieben ist oder wenn das Buch fertig gedruckt vor Ihnen liegt?
Alex Capus:
Der stille Augenblick mit mir allein, wenn etwas Schönes gelungen ist. Die Anerkennung von außen ist eine äußerliche – auch schön, aber man gewöhnt sich daran, hält sie für selbstverständlich und ist beleidigt, wenn sie ausbleibt. Ein süßes, wohlfeiles Gift, dem man nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte.
Belletristik-Couch:
Haben Sie es als Schweizer schwerer, sich auf dem deutschen Buchmarkt durchzusetzen?
Alex Capus:
Im Gegenteil: Die Deutschen lieben uns Deutschschweizer. Wir sind so nett und sprechen so ulkig, und dafür, dass wir Ausländer sind, können wir sogar ziemlich gut deutsch. Und dann gefällt Ihnen seit Jahrzehnten an der Deutschschweizer Literatur, dass wir nicht die großen deutsch-deutschen Themata und Traumata beackern, sondern andere Geschichten erzählen.
Belletristik-Couch:
Welche Rolle spielt die Meinung der Leser für Sie?
Alex Capus:
Eine große, von ihnen hängt ab, ob ich mein täglich Brot verdiene. Aber beim Schreiben kann ich mich doch nicht nach ihr richten, sondern muss machen, was ich halt machen muss. Wenn’s dann dem Leser gefällt – Glück gehabt.
Belletristik-Couch:
Wie gehen Sie mit Kritik um? Berufskollegen von Ihnen sagen, sie würden keine einzige Rezension und keinen Kommentar über ihre Bücher lesen, weil sie dadurch verletzt werden könnten. Kennen Sie dieses Abschotten auch?
Alex Capus:
Ich schaue sie mir zwischen den gespreizten Fingern hindurch an. Wenn man Lob gerne nimmt, muss man zwischendurch halt auch mal was einstecken. Und sich nicht allzu wichtig nehmen.
Belletristik-Couch:
Wann wissen Sie, dass etwas ein Thema für Sie ist? Wie kommt das Thema zu Ihnen?
Alex Capus:
Das weiss ich in der Sekunde, wenn mir eine Geschichte zufällt. Le coup de foudre, wie der Franzose sagt.
Belletristik-Couch:
Schreiben Sie im stillen Kämmerlein – oder diskutieren Sie den Stoff mit Familie, Freunden oder anderen wichtigen Personen?
Alex Capus:
Ich diskutiere nie, sondern bin eher geizig mit meinem Stoff, solange ich am Schreiben bin. Die Erzählmaschine ist wie eine Dampflok: Die muss unter Druck stehen, damit sie läuft, da darf man nicht unnötig Dampf ablassen, indem man rumquatscht.
Belletristik-Couch:
Lesen Sie? Und wenn ja: Welches Buch liegt bei Ihnen auf dem Nachttisch?
Alex Capus:
Zur Zeit Werner Bergengrün: Der Grosstyrann und das Gericht.
Belletristik-Couch:
Und welches Buch wird Ihr Regal nie verlassen?
Alex Capus:
Der gesamte Tolstoi, Tschechov, Maupassant, Turgenev, Gontscharov, Lermontov, Zola, Fallada, Thomas und Heinrich Mann, Hemingway, Steinbeck…
Belletristik-Couch:
Erinnern Sie sich an Ihr erstes Leseerlebnis?
Alex Capus:
Nein.
Belletristik-Couch:
Und an Ihre Anfänge als Autor?
Alex Capus:
Ich erinnere mich, dass ich zwischen zwanzig und dreißig immer gern geschrieben hätte und auch fühlte, dass ich es konnte; aber leider litt ich am Unglück, dass mir nichts einfiel, was niederzuschreiben die Mühe wert wäre.
Belletristik-Couch:
Was muss in Ihren Augen ein Roman bieten, um sich von der großen Masse abzuheben?
Alex Capus:
Keine Ahnung. Keine Ahnung. Keine Ahnung.
Belletristik-Couch:
Haben Sie eine Ziel-Vorstellung, wohin sie kommen möchten?
Alex Capus:
In Frieden und Gesundheit alt werden, bei der Hege und Pflege einer hoffentlich grossen Enkelschar helfen, und bitte vor meiner Frau sterben dürfen.
Das Interview führte Rita Dell´Agnese im September 2013.
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