09.2013 Saskia Hennig von Lange promoviert zur Zeit an der Universität Gießen im Bereich der spätmittelalterlichen Kunst, ihr Debüt "Alles, was draußen ist" wurde 2013 unter die besten zehn Bücher unabhängiger Verlage gewählt und wurde mit dem Wortspiele-Preis ausgezeichnet. Für die Belletristik-Couch hat sie sich ein wenig Zeit genommen und ein paar Fragen zu ihrer Person und ihrem Buch beantwortet.
Ich bin weit mehr als mein Buch.
Belletristik-Couch:
Guten Tag Frau Hennig von Lange. Ich habe ihre Novelle gelesen und konnte nicht umhin eine morbide Grundstimmung wahrzunehmen. Was hat Sie dazu bewogen ein so schweres und düsteres Stück Literatur zu verfassen?
Saskia Hennig von Lange:
Mir selbst kommt es gar nicht so düster vor – natürlich sieht sich mein Protagonist mit einer schwierigen Tatsache konfrontiert, nämlich, dass er bald sterben wird. Eine Tatsache, die ja unabwendbarerer Teil eines jeden Lebens ist, wenn auch nicht so forciert, wie man das in einem literarischen Setting provozieren kann. Doch letztlich scheitert mein Protagonist ja nicht daran, ich finde sogar, er meistert diese Situation mit Würde und einer gewissen Gelassenheit.
Belletristik-Couch:
In Alles, was draußen ist lassen Sie den Leser teilhaben am Innenleben eines Mannes, der sich selbst dem Tode weiht. Er scheint dabei wenig Entscheidungsmöglichkeiten zu haben, nirgends offenbart sich ihm eine lebensbejahende Alternative. Ist manchen Menschen ein glückliches Dasein schlichtweg unmöglich?
Saskia Hennig von Lange:
Der Mann hat eine tödliche Krankheit und er entzieht sich ihr nicht. Indem der Tod zum Leben dazugehört, wie es ihm ja auch in seinem Museum immer wieder vor Augen geführt wird, ist das durchaus eine lebensbejahende Einstellung, wenn auch mit aller Konsequenz. Mein Protagonist, so kommt es mir vor, leidet nicht zu sehr unter dieser Situation, er befasst sich eben damit und mit dem, was das für ihn und sein Leben bedeutet. Vielleicht ist er in dieser Situation sogar glücklicher, als er das in seinem vorangegangenen Leben war – von dem der Leser ja allerdings nur Bruchstücke erfährt.
Belletristik-Couch:
Der Protagonist ihres Buches ist bestrebt sich selbst für die Nachwelt zu erhalten, er will später im eigenen Museum beschaut werden. Ein Buch überdauert seine Autorin, haben Sie mit ihrem Debüt auch begonnen sich für die Nachwelt zu konservieren?
Saskia Hennig von Lange:
Nein, das denke und hoffe ich nicht. Ich bin ja weit mehr als mein Buch, das natürlich mit mir zu tun hat und auch mit dem, wie ich die Welt sehe. Der Gedanke, mich selbst in Form dieses Buches für die Nachwelt zu erhalten, ist dabei jedoch nicht mein Anliegen, lieber würde ich meinen Kindern, meinem Mann und den Menschen, die mir lieb sind, lebendig in Erinnerung bleiben, durch das, was ich tue und sage, wie ich eben bin.
Belletristik-Couch:
Warum haben Sie für ihr Debüt als Autorin das Format der Novelle gewählt?
Saskia Hennig von Lange:
Es ist vielleicht eher so, dass die Form mich gewählt hat oder sich im Schreiben einfach ergeben hat. Das ´Label´ Novelle war dann ein Vorschlag meines Lektors Paul Jandl, den ich gerne angenommen habe.
Belletristik-Couch:
Ihre Art zu schreiben ist von Präzision gekennzeichnet. Sind Sie so präzise und akribisch oder ist es lediglich der Protagonist der Novelle, dem solch genaue Betrachtungen eigen sind?
Saskia Hennig von Lange:
Doch, in mancherlei Hinsicht bin ich das wohl, ich gebe mich dem nur nicht so hin, wie mein Protagonist das tut.
Belletristik-Couch:
Sie promovieren zur Zeit am Institut für Kunstgeschichte der Universität Gießen. In ihrer Novelle taucht mit Robespierre nur eine historische Figur auf, kunsthistorische Bezüge fehlen völlig. Haben ihre universitäre Arbeit und das Buch wirklich so wenig gemeinsam?
Saskia Hennig von Lange:
Im Gegenteil, meine Arbeit und das Buch haben sehr viel miteinander zu tun, wenn auch nicht unbedingt an der Oberfläche. Ich promoviere über das Verhältnis von Rahmen, Bild und Körper in der spätmittelalterlicher Kunst. Letztlich geht es mir also um die Frage der Schwelle zwischen Bild, Welt und Betrachter und wie sie zu überschreiten ist. In einer solchen Schwellensituation befindet sich mein Protagonist auch, es geht ja die ganze Zeit ums Draußen und Drinnen und darum, wie und ob man von einem ins andere gelangen kann. Und es geht es auch darum, wie der Mensch den menschlichen Körper in ein Bild überführt. Denken Sie an die ganzen Präparate, an die Totenmasken oder an die Selbstpräparierung des Protagonisten. Auch Fragen der Bildwahrnehmung spielen eine große Rolle, am Ende reflektiert der Protagonist sehr lange über dieses Verhältnis zwischen Bild und Mensch.
Belletristik-Couch:
Wie kamen Sie auf das Thema der Anatomie?
Saskia Hennig von Lange:
Auch das steht im Zusammenhang mit meiner wissenschaftlichen Arbeit. Ich habe dieses Museum im Rahmen eines Seminars besucht und der Ort hat mich nicht mehr losgelassen.
Belletristik-Couch:
Gibt es schon eine Idee für ihr zweites Buch?
Saskia Hennig von Lange:
Ja, die gibt es: Es geht um einen Mann, der aufbricht, aus einer Beziehung, aus seinem Leben, und sich auf eine unwägbare Reise macht.
Belletristik-Couch:
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sebastian Riemann im September 2013.
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