Maren Gottschalk
10.2022 Belletristik-Couch im Gespräch mit Autorin Maren Gottschalk über ihren neusten biographischen Roman „Fräulein Steiff“.
"Ich habe mir eine Wohnung in Margarete Steiffs Heimatstadt Giengen gemietet und dort gut eine Woche lang alles angeschaut, was zu ihrer Geschichte gehört."
Maren Gottschalk ist in Leverkusen geboren und aufgewachsen. Ihr Studium führte sie nach München, wo sie Geschichte und Politik studierte. Ihre Dissertation handelte von der Geschichtsschreibung im Mittelalter. Das Interesse an diesem Thema ist bis heute geblieben. Maren Gottschalk arbeitet für den WDR als Autorin. Daneben schreibt sie Biographien (z.B. über Sophie Scholl, Frida Kahlo, Astrid Lindgren), Romane und Kinderbücher. Ihr neuster biographischer Roman „Fräulein Steiff“ befasst sich mit dem Leben und Wirken von Margarete Steiff, der Spielzeugpionierin. In ihrem Dank verweist die Autorin auf ihre Lektorin, Claudia Negele, die den Anstoß für das Buchprojekt gegeben hat. Deshalb meine erste Frage an Maren Gottschalk:
Belletristik-Couch.de:
Mit welchen Argumenten konnte die Lektorin Sie für diese Geschichte gewinnen?
Maren Gottschalk:
Da war gar nicht viel Überzeugungsarbeit nötig. Ich begann zu recherchieren und merkte schnell, dass Margarete Steiff mich wirklich interessierte. Sie hatte so viele Hürden überwunden, um ihren Weg zu meistern, ich war neugierig darauf, zu verstehen, wie sie das geschafft hat. Außerdem reizte mich die Aufgabe, nach meinem Roman über die lebenssprühende, sinnliche, stets verliebte Frida Kahlo etwas über das Fräulein Steiff zu schreiben, das ja in einer anderen Zeit und in einem ganz anderen Ambiente gelebt hatte.
Belletristik-Couch.de:
Was waren die größten Herausforderungen im Schreibprozess?
Maren Gottschalk:
Zum einen musste ich mich in eine Frau hineinversetzen, die nicht laufen konnte, die im Rollstuhl saß, die auf viel Unterstützung angewiesen war. Ich wollte das ernst nehmen und zeigen. Zugleich wollte ich Margarete aber auch nicht auf die Behinderung reduzieren. Ihr eigenes Motto war ja: „Ich bin nicht krank, ich kann nur nicht laufen.“ Das habe ich mir zum Vorbild genommen. Die andere Herausforderung war, den Alltag einer Frau im 19. Jahrhundert zu erzählen. Da gab es sehr viele Details zu recherchieren, aber das ist ja gerade auch der große Spaß an so einem Roman.
Belletristik-Couch:
Weshalb haben Sie sich für wechselnde Zeiträume in den jeweiligen Kapiteln entschieden und sie nicht, wie es wohl viele machen würden, chronologisch aufbereitet?
Maren Gottschalk:
Es sind zwei Erzählstränge, die jeder für sich ganz chronologisch ablaufen. Der erste beginnt beim magischen Moment, in dem aus dem Elefäntle - das eigentlich ein Nadelkissen sein sollte - ein Spieltier wird und der zweite beginnt in der Kindheit. Ich habe diese beiden Stränge miteinander verflochten, weil ich die erwachsene Margarete schon früh sichtbar machen wollte. Gleichzeitig konnte ich auf diese Weise zeigen, welche Kindheitserlebnisse Margarete besonders geprägt haben.
Belletristik-Couch.de:
Wieviel Zeit nahmen die Vorbereitungen, Nachforschungen und was dazugehört, in Anspruch?
Maren Gottschalk:
Ich habe mir eine Wohnung in Margarete Steiffs Heimatstadt Giengen gemietet und dort gut eine Woche lang alles angeschaut, was zu ihrer Geschichte gehört. Vom Geburts-und Elternhaus, über die alten Gassen, die Kirche, Schule, den Schießberg am Stadtrand bis zum ersten eigenen Wohn- und Geschäftshaus und dem spektakulären „Jungfrauenaquarium“ (dem ersten modernen Glas-Stahl-Industriegebäude in Deutschland) und dem wunderschönen Steiff-Museum gibt es wirklich viel zu sehen. Außerdem war ich im Stadtarchiv und habe mich durch alte Fotos, Zeitungsartikel, Stadtchroniken und ähnliche Quellen gewühlt. Vorher musste ich natürlich noch alles lesen, was über Margarete Steiff und die Firma publiziert worden ist, das dauerte auch eine Weile. Mit dem Schreiben habe ich etwa nach einem Jahr begonnen, allerdings ging die Recherche parallel weiter. Denn wenn ich plötzlich die Idee hatte, Fräulein Steiff in Stuttgart in die Oper gehen zu lassen, musste ich wissen, wie genau das Gebäude aussah, was dort auf dem Programm stand und wer dort gesungen hat.
Belletristik-Couch.de:
Wie gut konnten Sie bei Ihren Recherchen Margarethe Steiff kennen lernen?
Maren Gottschalk:
Ich glaube, ich bin ihr ziemlich nahe gekommen, auch wenn ich als Historikerin natürlich weiß, dass wir den Menschen aus der Geschichte nie so ganz in den Kopf schauen können. Aber mit der Zeit habe ich ein Gefühl für die Dinge entwickelt, die ihr wichtig waren: Im Geschäft sorgte sie dafür, dass ihre Produkte von hoher Qualität waren und dass sie nie zu große Risiken einging. Privat lag ihr die Familie besonders am Herzen, die Geschwister, die Neffen und Nichten.
Belletristik-Couch.de:
Was denken Sie über ihre außergewöhnliche Lebensgeschichte?
Maren Gottschalk:
Margarete Steiff hatte denkbar schwierige Ausgangsbedingungen für eine Frau im 19. Jahrhundert und hat etwas wirklich Großes aus ihrem Leben gemacht. Sie selbst würde das sicher nicht so sehen, denn sie war sehr bescheiden und geerdet. Aber als ihre Biographin darf sie vorbildhaft und bewundernswert nennen. Sie besaß eine starke Persönlichkeit, den Willen, sich nicht in den Hintergrund abschieben zu lassen. Sie war lebensfroh und als I-Tüpfelchen kam noch eine gute Portion Humor dazu. Für einen biographischen Roman ist sie damit eine wunderbare Heldin.
Das Interview führte Monika Wenger im Oktober 2022.
Foto: © Sandy Craus/fotografieonair
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