Das Gewicht des Schmetterlings

  • Graf
  • Erschienen: Januar 2011
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  • Mailand: Feltrinelli, 2009, Titel: 'Il peso della farfalla', Seiten: 70, Originalsprache
  • München: Graf, 2011, Seiten: 128, Übersetzt: Helmut Moysich
Das Gewicht des Schmetterlings
Das Gewicht des Schmetterlings
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Rita Dell'Agnese
901001

Belletristik-Couch Rezension vonSep 2011

Eine Hommage ans Leben und an den Tod

Zwei Könige begegnen einander im Leben und letztlich auch in ihrem Sterben. Da ist der König der Gämsen, verfolgt und doch nie besiegt – und es ist der Wilderer, Verfolger und dennoch Besiegter, wenngleich unter Seinesgleichen respektvoll als König geachtet. Diese beiden stolzen Einzelgänger messen sich aneinander, ohne sich dessen in aller Konsequenz bewusst zu sein. Ihr Kampf ist gleichzeitig eine Verschmelzung mit der karstigen Welt des Gebirges, das sich nur dem Unerschrockenen in seiner ganzen Schönheit öffnet. Dies alles kleidet der italienische Autor Erri De Luca in schlichte und doch poetische Worte, die in ihrer Eindringlichkeit eine Hommage an das Leben und zugleich ans Sterben darstellen.

Auf gerade einmal 65 Seiten erzählt De Luca eine Geschichte von berückender Schönheit, in der sich die klare Bergluft spiegelt und die so viel mehr ausdrückt, als es ein mehrere hundert Seiten dicker Roman vermöchte. Es ist eine Komposition von Eindrücken und Gedanken, die sich zu einem Bild verdichten, dessen Faszination man sich nur schwer entziehen kann. In der kurzen Zeitspanne, in denen sich die beiden Könige zum letzten Mal begegnen, erzählen sie ihre ganze Lebensgeschichte und nicht einen Augenblick lang kommt das Gefühl auf, etwas Wichtiges sei unerwähnt geblieben.  Wer selber schon in den Bergen unterwegs war – und vielleicht auch die Agilität der Gämsen bestaunt hat – wird sich wohl in eigenen Erinnerungen verlieren und diese durch die Worte von Erri De Luca bestätigt bekommen. Wem die Berge aber fremd und die Gämsen höchstens aus der Abbildung in einem Tierlexikon bekannt sind, der wird hier einen Hauch von der frischen Atemlosigkeit verspüren, die dem Berggänger aus einsamen Stunden auf dem Fels vertraut ist.

Welche Rolle dem Gewicht des Schmetterlings in dieser letzten Begegnung der beiden königlichen Einzelgänger zukommt, eröffnet sich dem Leser erst zum Schluss der Geschichte. Sie ist jedoch so unumstößlich richtig und entscheidend, dass man nicht umhin kommt, dem Autor zur Wahl des Titels im Stillen zu gratulieren. Und dem Verlag dafür zu danken, diesen Titel zusammen mit einem stimmigen Cover zusammengebracht zu haben.

Eher irritierend hingegen ist die zweite Geschichte, die sich in diesem schmalen Büchlein findet. Die poetische Betrachtung eines Gangs zur Zirbe, die hoch oben auf dem Felsen wächst, ist zwar ebenso feinfühlig wie liebenswürdig geschrieben. Doch vermag sie neben dem Gewicht des Schmetterlings kaum zu bestehen. Anders das Nachwort von Helmut Moysich, das sehr gut zum Ausdruck bringt, welche Gefühle die Geschichte der beiden Könige weckt. Ebenso stimmig ist die abgedruckt Laudatio, die Peter Kammerer zur Überreichung des Petrarca-Preises 2010 an den Autoren Erri De Luca gehalten hat.

Das schmale Büchlein Das Gewicht des Schmetterlings ist der Beweis dafür, dass sich auch auf wenigen Seiten eine poetische Knospe zu einer wunderschönen Blume entfalten kann – allerdings nur, wenn man bereit ist, sich auf die Geschichte abseits von Superlativen und grellfarbenem Heldentum einzulassen.

Das Gewicht des Schmetterlings

Erri de Luca, Graf

Das Gewicht des Schmetterlings

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