Die Lichter von Bullet Park
- Volk und Welt
- Erschienen: Januar 1972
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- New York: Knopf, 1969, Titel: 'Bullet Park', Seiten: 245, Originalsprache
- Berlin: Volk und Welt, 1972, Titel: 'Die Bürger von Bullet Park', Seiten: 243, Übersetzt: Kurt Wagenseil
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1975, Seiten: 155
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1997, Seiten: 218
- Köln: DuMont, 2011, Seiten: 254, Übersetzt: Thomas Gunkel
Trifft den Nagel auf den Kopf
Stellen wir uns Amerika Ende der "Sechziger" vor. Amerika spielt der Welt ihr neuestes Stück, "The American Dream" vor, eine Welt noch weit entfernt von Notebooks, Handys, E-Mails und noch mehr Unvorstellbaren.
Stellen wir uns einen jungen Menschen vor, der sich wochenlang weigert, sein Bett zu verlassen, einen eben noch friedlich auf den Zug wartenden Nachbarn, der plötzlich, nachdem ein Schnellzug vorbeirauscht, nicht mehr da ist, aber einen Schuh hinterlässt, oder stellen wir uns einen Vater vor, der nur um Haaresbreite den Kopf seines geliebten Sohnes mit einem Golfschläger verfehlt, da dieser ihm die sinnlose Tätigkeit seines Jobs aufzeigt.
Die Lichter von Bullet Park, in der Übersetzung von Thomas Gunkel, ist ein wiederholter Beweis großer, amerikanischer Literaturgeschichte. Ein Buch über ein Amerika, das, in der heutigen Zeit gelesen, wie ein offenes Geheimnis rüberkommt. Eines, über das man lieber liest, als dass man darüber spricht.
Stellen wir uns die peinliche Szenerie einer Ehefrau vor, die den geladenen Gästen ihrer Cocktailparty, von niemandem unterbrochen, in ausführlichen Details einen Vortrag über die negativen Seiten ihres Ehemanns hält und ihre Ehe wie ein Opferlamm zerlegt.
Stellen wir uns einen Ortstermin in einem noch von der Witwe bewohnten, aber zum Verkauf stehenden Haus vor, deren Mann nicht im Schlaf von ihr ging, sondern während der Renovierung plötzlich in den Garten lief und sich erschoss. Paul Hammer, einer von Cheevers Protagonisten, kauft das Haus und Nailles, die Hauptperson, erschießt mitten im Bullet Park eine Riesenschildkröte.
Absurde Szenerien, die scheinbar nichts miteinander verbinden, so vom Autor geschildert, als sei er, wie ein stummer Zeuge, in allen Zimmern der Häuser ihrer Wohlanständigkeit anwesend. Jemand, der sich unter die Personen mischt, genau beobachtet und sie dabei in einer schon fast behutsamen Art hinter ihrer Fassade hervorholt. Sie dann in gnadenloser, zynischer Ironie an den Haaren über den immer kurz geschorenen Rasen in die rosaweiß geflieste Garage schleift, um sie zwischen dem Golfbag und dem Kasten mit den leeren Ginflaschen zu platzieren und ein Erinnerungsphoto mit dem Selbstauslöser zu schießen.
Cheever erzeugt Bilder, manchmal wie Stillleben, ein Schwenk durch die verharrten Seelen seiner Personen. Er beschreibt brillant nicht nur die Plätze in den Toilettenschränkchen, wo die bunten Pillen stehen. Er zeigt hervorragend erzählt, womit die gewaltige Luftblase jener Zeit, "The American Dream" aufgeblasen wurde, und wie dieser Zeitraum in fantastischen, übersprudelnden Beschreibungen täglich zerplatzt.
John Cheever wurde von John Updike mit Faulkner verglichen und galt spürbar heutigen Autoren wie Jonathan Franzen oder T. C. Boyle als Vorbild.
Welch ein Glück für uns!
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