Frauen

  • Kunstmann
  • Erschienen: Januar 2011
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  • Reykjavík: Nýhil, 2008, Titel: 'Konur', Originalsprache
  • München: Kunstmann, 2011, Seiten: 254, Übersetzt: Kristof Magnusson
Frauen
Frauen
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Christine Ammann
901001

Belletristik-Couch Rezension vonNov 2011

Packend, radikal und provokant

Manchmal möchte man das Buch am liebsten in die Ecke pfeffern, so widerwärtig sind die Gewaltszenen und so demütigend die Sprüche, die der Künstler Joseph Novak in Steinar Bragis Frauen von sich gibt. ´Frauen sind ein Sinnbild für alles, was ein Mensch werden kann, ohne sich auf nennenswerte Weise von einer Kuh zu unterscheiden’, so lautet etwa eine noch milde These. Warum man trotzdem weiterliest? Weil der 36-jährige isländische Autor ein unglaublich spannendes, radikales und vielschichtiges Buch geschrieben hat.  

Zunächst glaubt sich der Leser in einem packenden Thriller.

Eva, eine junge Dokumentarfilmerin, kehrt aus New York nach Reykjavik zurück. Sie kann mietfrei in einer Penthouse-Wohnung am Meer wohnen, die ihr ein smarter Banker überlässt, wenn sie dafür die Blumen gießt und die Katze füttert. Die Mieterin sei vorübergehend verreist.

Aber als Eva die Wohnung bezieht, gibt es dort keine Blumen, die Eva gießen könnte, und eine Katze kann sie auch nirgendwo entdecken. Sie erfährt, dass die Mieterin der Wohnung keineswegs verreist ist, sondern in der Wohnung Selbstmord begangen hat. Längst beginnt der Leser, das Unheil zu ahnen. Und plötzlich ist Eva in dieser Wohnung gefangen und grausamen psychischen und körperlichen Qualen ausgesetzt.

Nun taucht der Leser in einen quälenden Albtraum, der an Kafkas Prozess erinnert oder an die erniedrigte Nicole Kidman in Lars von Triers’ Dogville. In sachlichem, leichtem, gut lesbarem Ton, den der deutsche Leser dem Übersetzer und Schriftsteller Kristof Magnusson verdankt, zeichnet Bragi eine Männerwelt mit brutalen Machtstrukturen, in der frauenverachtende Künstler wie Joseph Novak der verlängerte Arm der Herrschenden sind und sich Frauen der Männerwelt andienen. In dieser Welt findet Eva keinen Platz. Ihr Vater nörgelt an ihr herum, sie halte sich wohl für etwas Besseres, Hrafn gibt ihr die Schuld am Tod ihres gemeinsamen Kindes. Verzweifelt versucht Eva, Hrafn zurückzugewinnen, und Sponsorengelder für ihren Film kann sie auch nicht auftreiben. Evas Gefangenschaft und die unsäglichen Qualen, die sie erleiden muss, lassen sich mühelos als seelische Zurichtung für eine Gesellschaft interpretieren, in der für kritische Künstlerinnen kein Raum ist.

Und Frauen gibt dem Leser intellektuelle Nüsse zu knacken. So lehnt sich die Kunst von Joseph Novak an ein Gedankenexperiment aus der Quantenmechanik an, an Schrödingers Katze: Der Künstler hat in Island bereits durch eine skandalumwitterte Skulptur einer Sporttasche mit dem Titel "Lebendiger Hund oder toter Hund" Furore gemacht. Wie Eva inmitten ihrer Tortur erfährt, will Novak seine Vorstellungen jetzt in einem viel größeren Kunstwerk umsetzen, das aber eventuell nur im Gerichtssaal zu sehen sein wird.

Im Laufe der Lektüre entpuppt sich Frauen für den Leser zudem als Vexierbuch, das mit seiner Wahrnehmung spielt. Der Autor überlässt seinen Leser ganz Evas unzuverlässiger Perspektive, die von Alkohol und Drogen getrübt ist. Der Leser wird zum "Deuter", der die Bedeutung der Zeichen selbst festlegen muss. Und auch das macht die Gewaltexzesse und die frauenverachtenden Thesen des Künstlers Joseph Novak so verstörend – und die Lektüre so faszinierend.

Mit Frauen ist Steinar Bragi ein Stück facettenreiche, brillant erzählte und in vieler Hinsicht radikale Literatur gelungen, die einen so schnell nicht loslässt. Kein Wunder also, dass Frauen in Island zum Erfolg wurde und der Nordische Rat das Werk für den Literaturpreis nominierte. Ein unbedingt lesenswertes Buch, allerdings mit einer Einschränkung: Man sollte es nicht vor dem Schlafengehen lesen.

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