Wintzenried
- Hoffmann & Campe
- Erschienen: Januar 2011
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- Hamburg: Hoffmann & Campe, 2011, Seiten: 205, Originalsprache
Humorvoll, bissig, respektlos - ein erfrischendes Lesevergnügen
Manchmal sind es die kleinen Dingen, die Großes bewirken. Oft sind es Zufälle oder unbedeutende Kleinigkeiten, die dem Leben eine andere Richtung geben, verborgene Talente fördern und Grundsteine für Weltbekanntheit legen. Genau dies nimmt Karl-Heinz Ott als Grundlage für seinen Roman.
Er beschreibt darin das Leben Jean-Jacques Rousseaus und dieses wäre vielleicht anders verlaufen, wenn er nicht eines Tages nach Hause zurück gekommen wäre und seine 13 Jahre ältere Geliebte "Maman" in den Armen des Perückenmachers Wintzenried gefunden hätte. Denn dass ein Perückenmacher (was ist das überhaupt für ein Beruf?) ihm, Jean-Jacques nicht das Wasser reichen kann, ist ja wohl selbstverständlich. Doch Maman sieht das leider ganz anders und so beschließt Rousseau, sie zu verlassen und ihr zu zeigen, zu was er alles fähig ist. Wenn er erst einmal reich und berühmt ist, dann wird sie schon sehen, was sie an ihm hatte und reumütig zu ihm zurück kehren. Reich wurde Rousseau nicht, weltbekannt hingegen schon.
Karl-Heinz Ott folgt Rousseau von seiner Jugend bis hin zu seinem Tod. Und das auf so unnachahmlich humorvolle, spöttische und sarkastische Weise, dass die Lektüre zu einem Genuss wird. Verehrer von Jean-Jacques Rousseau seien aber gewarnt: Besonders gut kommt er nicht weg, ganz im Gegenteil. Der Autor schildert ihn als hypochondrisch, sehr von sich selbst überzeugt, egoistisch, unfair und rücksichtslos. Das zieht sich durch das ganze Buch und manchmal wird der Bogen fast überspannt, denn es kann ermüdend sein, wenn man einer Hauptperson kaum gute Seiten abgewinnen kann. Dass man trotzdem so gut wie nie in Versuchung gerät, die Lektüre vorzeitig abzubrechen, liegt an der Erzählkunst des Autors und seinem Humor.
Szenen wie die, in der Rousseau über seine (nicht immer realen) Krankheiten und einem möglichen Zusammenhang mit exzessiver Masturbation nachdenkt oder in der er nicht nur versucht ein Menuett zu komponieren, sondern es auch zu dirigieren ohne eine Ahnung von diesen beiden Tätigkeiten zu haben, bringen den Leser zumindest zum Schmunzeln, wenn nicht sogar zum Lachen.
Auf jeden Fall kann man dieses Buch auch guten Gewissens Leuten empfehlen, die von Rousseau noch nicht viel gehört haben. Denn neben dem teilweise sehr bissigen, humorvollen Sprachstil bekommt der Leser einen guten Eindruck von Rousseaus Leben und dem Entstehen seiner Werke, so dass man am Ende des Buchs definitiv mehr über diesen Philosophen weiß als am Anfang, ohne dass der Autor belehrend wirkt.
"Wintzenried" fällt fraglos in die Kategorie lesenswert. Zumindest, wenn einen als Leser eine einseitige, spöttisch-negative Darstellung der Hauptfigur nicht stört, denn der Witz und der Esprit, mit dem dieses Buch geschrieben ist, entschädigt dafür definitiv.
Karl-Heinz Ott, Hoffmann & Campe
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