Zufälliges Erbe als Reise durch mehrere Leben
Was macht man, wenn eigene Zerstreutheit dazu führt, dass man zum Erbe eines riesigen Vermögens von um die 17 Millionen Dollar wird? Einfach so weiterleben, die Umstände ignorieren, wie es dazu kommen konnte? Soll er ein Leben in Luxus führen, den Job kündigen und einen Schnitt mit dem alten "Ich" machen? Menschlich, wenn man der Versuchung erliegt, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und den neuen Reichtum zu genießen. Genauso verfährt auch Andy Larkham, der Protagonist des neuen Romans "Die Erbschaft" von Nicholas Shakespeare.
Doch ganz so unproblematisch, wie die Sache am Anfang scheint, ist es dann doch nicht. Andy fühlt sich nicht wohl bei dem Gedanken, nicht zu wissen, aus welchem Grund gerade er zu diesem unverhofften Vermögen gekommen ist. Vor allem die Art und Weise, in der das Testament verfasst wurde, gibt einige Rätsel auf. Auch er selbst verändert sich. Alte Freunde wenden sich ab und er entfernt sich immer mehr von seinem alten "Ich". Andy macht sich schließlich auf die Suche. Auf eine Suche nach dem Ursprung des Geldes und seiner Geschichte. Denn er ahnt, dass das Geld nur so wirklich sein gefühltes Eigentum werden und er wieder zu sich selbst finden kann.
Shakespeares Roman, der zunächst wie eine turbulente Komödie erscheint, die gängige Erzählmuster bedient, bekommt auf diese Weise eine ganz eigene Richtung. Es wird schnell klar, dass die Story mehr als reine Unterhaltung zu bieten hat. Spätestens als Andy sich bei seinen Nachforschungen mit der Geschichte Armeniens auseinandersetzen muss, Themen wie Einsamkeit, Lüge, verratener Liebe und Enttäuschung von Bedeutung werden, bekommt die Handlung eine Dynamik. Der Lebemann Andy, der vor der Erbschaft weder besonders ehrgeizig war, noch sich nicht großartig für seine Mitmenschen interessierte, seinen Job - er war Lektor für Bücher - zwar liebte, ihn aber nicht mir voller Hingabe erfüllte, verändert sich. Das Geld wirft Fragen auf, die er sich ansonsten wohl eher nicht gestellt hätte. Es weckt Skrupel und macht ihm klar, dass auch er menschliche Verpflichtungen hat, denen er nachkommen muss. Allein schon um seiner selbst Willen, aber auch aus Respekt vor seinen Mitmenschen. War die verpasste Beerdigung seines Lehrers der ausschlaggebende Punkt für seinen Reichtum, erkennt Andy, dass die verschiedenen Umstände, der Tod seines Lehrers, die Geschichte seines Erblassers, dessen Tochter, der Haushälterin und seine eigene Gemeinsamkeiten aufweisen. Er macht es sich zur Aufgabe, die Biografie seines Gönners ins rechte Licht zu rücken, damit wenigstens nach dessen Tod die Erinnerungen seiner Tochter nicht durch Intrigen verdorben sind und eine posthumer Frieden geschlossen werden kann.
Shakespeares ist mit "Der Erbschaft" ein Roman gelungen, der sich ganz anders präsentiert, als man es anhand des Titels oder des Covers vermutet. Die Story erfüllt keine Klischees und zieht den Leser durch ihre Geschwindigkeit und Turbulenz in seinen Bann. Shakespeare wechselt Zeiten und Orte. Er springt in seiner Erzählung zwischen Gegenwart und Vergangenheit, beschreibt die Lebensgeschichte seines Erblassers, die sich über viele Jahre erstreckt und quer durch die Welt führt. Tagebucheinträge wechseln mit Dialogen, die wiederum mit Erzählungen, die die Gedanken des Protagonisten, seine Gefühle und Reflexionen zeigen.
Shakespeares Roman grenzt sich so von der reinen Unterhaltung ab und fesselt seine Leser durch seine Vielschichtigkeit. Vor allem, da die einzelnen Zweige am Ende eine Geschichte ergeben, die sich wie ein Puzzle zusammenfügen. Der Roman zeigt, dass Geld allein nicht ausreicht, um ein glückliches Leben zu führen, sondern mehr dazu gehört. Vor allem zu wissen, worauf es im Leben ankommt, um es angemessen nutzen zu können, ohne sich selbst zu verlieren.
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