Bilder von A.

  • Hanser
  • Erschienen: Januar 2011
  • 1
  • München: Hanser, 2011, Seiten: 136, Originalsprache
Bilder von A.
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Rita Dell'Agnese
701001

Belletristik-Couch Rezension vonDez 2011

Tanz um das goldene Kalb

A ist tot. Dieser Umstand ist der zentrale Punkt, um den Barbara Honigmann "Bilder von A." aufbaut. Der ganze Roman, die gesamte Chronik einer umfassenden Liebe zwischen der erzählenden Künstlerin und dem um einiges älteren Theaterregisseur, dreht sich nur um diesen einen Punkt, das nicht mehr sein von A. In verschiedenen Rückblenden auf ihr Leben hebt die Erzählerin den Schleier und lässt die Leser sozusagen als Voyeure teilhaben an einer bittersüßen Liaison, die –  eingebettet in die politischen Ränke ihrer Zeit – die absolute Erfüllung verweigert. Honigmann begnügt sich jedoch nicht mit der Schilderung der Liebe an sich. Sie webt in die Geschichte mehrere Themen ein, die jedes für sich eine eigene Geschichte ergäbe.

Elementar ist etwa die jüdische Herkunft der Erzählerin. Verweigert sie sich zunächst selber die Auseinandersetzung damit, wird sie von A. später gnadenlos mit ihren Wurzeln konfrontiert. Und lernt dadurch, nicht nur sich selber und ihre Geschichte anzunehmen, sondern auch ihren ganz eigenen Weg zu finden. Barbara Honigmann scheint hier einige autobiographische Elemente eingebaut zu haben. Dennoch liegt der Fokus weniger auf der Erzählerin – obwohl sie eigentlich die tragende Figur des Romans sein müsste – sondern eher auf A., der kompromisslos seinen Weg geht und dabei vieles, nicht aber sich selber, verleugnet.

"Bilder von A." ist ein Roman, der durch Dichte und Knappheit besticht, dennoch aber eine fast schon ausufernde Geschichte präsentiert. Honigmann spricht über ein gesellschaftliches Bild, das sich in engen Grenzen abgespielt hat, jedoch schon zu jener Zeit Grenzen zu sprengen vermochte. Als sich A. und die Erzählerin begegnen, beginnt für beide eine Zeit jenseits der Normalität. Zusammen – aber auch beide für sich alleine – beschreiten sie künstlerische Wege, die ihnen gleichermaßen unglaubliches Lob und harsche Kritik eintragen. Hier belässt es Barbara Honigmann aber oft bei nüchternen Feststellungen, etwa als das von der Erzählerin lancierte Kindertheater aufgrund ideologischer Überlegungen nach nur einer Aufführung verboten wird. Wer zwischen den Zeilen liest, und das ist bei diesem Roman nahezu unabdingbar, wird ebenso scharfe Kritik am System der DDR herauslesen können, wie eine fast liebevolle Nachsicht mit der Gesellschaft, die sich der politischen Repression nicht energischer entgegen setzen kann, als durch begeisterten Applaus an subversiven Stellen im später verbotenen Theaterstück.

Gewöhnungsbedürftig ist der Tanz um das goldene Kalb A. schon. Die Erzählerin zieht ihre Kreise um den Mittelpunkt ihres Denkens, kehrt immer wieder an den Ausgangspunkt zurück und startet von dort zu einer neuen gedanklichen Reise in die Vergangenheit. Dies bedingt, dass man sich immer wieder von vorne auf die Erzählung einlässt und das "Gewesene" zwar in Gedanken behält, nicht aber als tragendes Element der eben aktuellen Situation versteht. Gewöhnungsbedürftig ist aber auch die Sprache Barbara Honigmanns. In einem raschen Wechsel von kurzen Sätzen zu langen, fast atemlosen Passagen fällt es schwer, sich zu justieren und sich sprachlich einem Rhythmus zu überlassen. Obwohl es ein gekonntes Stilmittel darstellt, verlangt Honigmann von ihren Lesern dadurch viel. So viel, dass wohl nicht alle bis zur letzten Seite dabei bleiben dürften. Dies bei einem Buch, das gerade einmal 136 Seiten umfasst.

Letztlich stellt "Bilder von A." ein Werk dar, das eine ausgewählte Leserschaft begeistern dürfte, aber von vornehmlich Unterhaltung suchenden Lesern kaum geschätzt werden dürfte. Die in geraffter Form präsentierte Auseinandersetzung mit dem Judentum und der gesellschaftlichen Entwicklung der DRR gleichermaßen wie mit einer Liebe, die von keinen Kompromissen begleitet wird und dadurch auf Dauer nicht lebbar ist, ist keine leicht bekömmliche Kost. 

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