Die kleine Souvenirverkäuferin

  • Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2012, Seiten: 4, Übersetzt: August Zirner
Die kleine Souvenirverkäuferin
Die kleine Souvenirverkäuferin
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Kathrin Plett
951001

Belletristik-Couch Rezension vonJan 2012

Liebe ohne Aussicht auf gemeinsame Zukunft

Nach der Reihe um den Psychiater Hector, der durch die Welt reist, um wichtige Fragen des Lebens zu klären, zeigt François Lelord mit "Die kleine Souvenirverkäuferin", das er auch darüber hinaus in der Lage ist, interessante Romane zu schreiben. Wie auch in vielen seiner vorherigen Bücher nimmt er seine Leser mit auf Reisen und lässt sie in das Vietnam der 90er Jahre eintauchen. In ein Land, das sich durch Geschichte und Mentalität sehr von europäischen Ländern unterscheidet. Dorthin hat es den jungen Pariser Arzt Julien verschlagen, und als hätte er nicht schon genug damit zu tun, Sprache, Land und Kultur verstehen zu lernen, sieht er sich zwischen zwei Frauen, wobei sich zeigt, dass Liebe alles andere als einfach ist.

Julien arbeitet als französischer Arzt in Hanoi in Vietnam, als eine Epidemie ausbricht. Die Krankheit wirft viele Fragen auf und ist bislang unerkannt. Da man keine Erkenntnisse über Verlauf oder Ursache hat, beginnt er zusammen mit seiner englischen Kollegin Clea die Krankheit zu erforschen, wobei sie in einem Land wie Vietnam die Grenzen der Freiheit sehr schnell zu spüren bekommen, so dass ihre Möglichkeiten sehr begrenzt sind. Sie begeben sich auf eine Reise in ein abgelegenes Gebiet, indem es eine Vielzahl an Erkrankungen gibt. Julien fällt die Reise besonders schwer: Clea liebt ihn, sie ergeben für alle das perfekte Paar. Er hingegen ist in eine einheimische und sehr arme Souvenirverkäuferin verliebt, die ihm auf der Straße begegnete. Auch sie erwidert seine Liebe, doch es ist eine Liebe, die keine Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft hat: Eine Liebe, die für beide unmöglich ist.

François Lelords neuer Roman lässt die Begeisterung des Autors für Asien und in diesem Fall für Vietnam spürbar werden. Lelord versteht es einmal mehr, Kultur und Mentalität der asiatischen Bevölkerung so in seine Geschichte einfließen zu lassen, dass auch der Leser in der Lage ist, den Zauber des Landes, den Lelord zweifellos versucht zu vermitteln, nachzuempfinden.

Lelord geht auf die Geschichte ein, erläutert sprachliche und kulturelle Besonderheiten auf eine Weise, die an keiner Stelle belehrend wirkt: Der Autor bindet sie verständlich und maßvoll in die Handlung ein. Sprachlich spielt er mit den fremden Ausdrücken, die in Namen und gängigen Redewendungen zum Vorschein kommen.

Die Story selbst erzählt die Geschichte Juliens. Julien, der in einem fremden Land mit einer unerklärlichen Krankheit konfrontiert wird und nicht nur die behördlichen Grenzen zwischen Europa und Vietnam zu spüren bekommt, sondern für ihn viel schlimmer, die Grenzen zwischen den Kulturen. Er weiß um die Liebe Cleas, die er schätzt und achtet, jedoch nicht liebt, und liebt selbst eine Souvenirverkäuferin, die am untersten Rand der Gesellschaft steht. Selbst normale Gespräche mit ihm können für sie schon gefährlich werden und Ächtung oder Strafen zur Folge haben. Julien liegen beide Frauen am Herzen, auf unterschiedliche Weise und auch wenn er sie  beide nicht verletzen will, scheint die Situation ausweglos.

Lelord beschreibt die Gefühle Juliens einfühlsam und empathisch. Der Leser kann an seiner Situation teilhaben, sich in ihn hineinversetzen und durchlebt mit ihm sein Gefühlschaos. Lelord gelingt es, beide Frauen so darzustellen, dass selbst der Leser weder für die eine, noch für die andere Partei ergreifen kann und auch er weder die Gefühle der einen, noch die der anderen verletzt sehen will. Man kann die innere Zerrissenheit nur zu gut spüren. Auch als Clea am rätselhaften Erreger erkrankt, wird das Chaos deutlich, welches in Julien existiert. Doch auch nach Cleas Tod scheinen die Grenzen unüberwindbar und Julien scheint der Mut zu fehlen, sich über die von außen gesetzten Grenzen zu stellen.

Lelords Roman erscheint zunächst anders, als seine vorhergehenden Romane. Er beinhaltet nicht die für Lelord typischen Thesen, die Hector im Laufe seiner Reise zu einem Thema sammelt und die auch als eine Art Botschaft an den Leser gesehen werden können. Und dennoch: Auch in diesem Buch finden sich versteckte Nachrichten, die zwar weniger offensichtlich, aber dennoch vorhanden sind und sich wieder um die Liebe drehen.

Behutsamer und gefühlvoller als sonst, zeigt der studierte Psychiater und heutige Autor Lelord auch dieses Mal wieder, welche Bestandteile des Lebens für ihn wichtig sind und zum Glück und zur Zufriedenheit beitragen. Darüber hinaus gelingt ihm nicht zuletzt durch die spannende Handlung, der drohenden Gefahr der Epidemie und der nervenaufreibenden Ursachensuche, eine packende und abwechslungsreiche Geschichte, die außerdem in eine den meisten wohl eher unbekannte Welt einführt.

Ein gelungener und empfehlenswerter Roman, der Tiefe besitzt und seine Leser nachhaltig zu beschäftigen versteht.

Die kleine Souvenirverkäuferin

François Lelord, Hörbuch Hamburg

Die kleine Souvenirverkäuferin

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