Jim

  • Beck
  • Erschienen: Januar 2012
  • 0
  • München: Beck, 2012, Seiten: 123, Originalsprache
Jim
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Britta Höhne
701001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2012

Affenliebe mit ungewissem Ausgang

Eigentlich begeistern erste Sätze. Sie sind es, die einen Roman ausmachen, fesseln, verwirren, neugierig stimmen. Bei Thomas Langs neuestem Werk "Jim" ist es eher der letzte Satz, der verwirrt und Neugier weckt: "Damit hören wir auf." Punkt. Einfach Punkt. Dabei wirkt die nur 123 Seiten umfassende Geschichte unfertig. Denn gerade mit dem finalen Punkt will sie beginnen.

Thomas Lang ist kein Unbekannter im Bücher-Betrieb. Zahlreiche Preise konnte der 1967 in Nümbrecht geborene Autor bereits entgegen nehmen. Ob "Jim" ihm einen weiteren einbringen wird? Wer weiß, denn die Geschichte ist nicht nur kurz – was nicht per se schlecht ist – sondern sie wirkt einfach unvollendet. So, als sei dem Autor auf halber Strecke die Lust zum Schreiben ausgegangen.  

Frank Opitz, scheinbar krank, Journalist und Dichter, hadert mit seinem Leben. Verheiratet mit der wunderbaren Anna, die dem Leser zum Ende des Romans bis ins intimste Detail vertraut sein wird, lebt in einem großen Haus mit parkähnlicher Gartenanlage. Allerdings lebt das Paar Opitz nicht alleine auf dem Anwesen. Jim gehört dazu: Ein halbstarkes Orang-Utan-Männchen, das bereits als Baby nach Europa verschifft wurde und bei Anna ein vorläufiges Domizil fand. Eine Ehe zu dritt, so liest sich der Plot zu Beginn. Falsch: Eine Ehe zu viert. Franks Freund Tobias Mundt gehört auch  dazu. Er vergöttert Anna, liebt sie und scheut sich nicht, Anna seine Liebe zu gestehen.

Die ganze Geschichte irritiert. Vier Personen nur (der Affe inklusive) bestreiten das Geschehen. Und es scheinen zu wenige zu sein, da der Inhalt des dünnen Buches kompakt ist. Irritierend kompakt. Denn: Es geht um Liebe, Dasein, Leben, Literatur, um Kunst, um die Frage, was eigentlich Kunst ist. Männliche Definitionen kommen zum Vorschein und weibliche. Tierische auch. Denn Affe Jim malt. Ansehnlich wie es scheint und vielleicht lohnt der Verkauf der Affenbilder, um eine Aufzuchtstation auf Sumatra zu fördern.

Der Alltag kippt, als Anna sich bei Manufactum (bekannt für neu aufgelegte Altertümer), ein Gartenbett kauft. Sie will der Natur nahe sein, dem Orang-Utan auch, und vergisst dabei, dass ihr Mann auf Grund seiner chronischen Armschmerzen nie und nimmer mit ihr in der Natur nächtigen wird. Dennoch: Anna und Frank kommen sich näher, als Frank eine Spiegeltherapie gegen Phantomschmerzen beginnt, sich in die Vagina seiner Frau träumt und sie just in der Nacht im  Gartenbett besucht, als der Affe beschließt, über die Gartenmauer zu klettern. "Damit hören wir auf."

Das schnelle Ende ist so verdammt schade, weil das Buch so viel Inhalt hat. Tiefgründig gibt Thomas Lang die Geschichte wieder, voller Sensibilität, voller Ehrfurcht vor der Kreatur und voller Verständnis dafür, dass eine Frau einen Mann bevorzugt, der nicht seit Jahren von Schmerzen gequält wird. Doch Frank lebt, er denkt, liebt – und leidet. Und das so intensiv, dass sich der Leser schlussendlich selbst amputiert fühlt, weil die Geschichte ein viel zu schnelles Ende nimmt. Gerade in dem Augenblick, als sich das Paar Opitz wieder näher kommt.

"Jim" ist dennoch - oder gerade deshalb - ein lesenswerter Roman. Geschrieben von einem Autor, der das Detail liebt, nichts auslässt, sei es scheinbar auch noch so wenig von Interesse. Mutig ist es, Phantomschmerzen in den Mittelpunkt einer Geschichte zu stellen und jede Überschrift einem Finger zu widmen. Kaum steht die Neugier des Lesers allerdings im Zenit, ist die Geschichte auch schon Geschichte. Schade. Sicher gewollt. Immerhin bleibt es dem Leser so überlassen, sich den Ausgang nach eigener Vorstellung zu formen. Auch eine Möglichkeit.

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