Rita und die Zärtlichkeit der Planierraupe

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2012
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  • München: Goldmann, 2012, Seiten: 256, Originalsprache
Rita und die Zärtlichkeit der Planierraupe
Rita und die Zärtlichkeit der Planierraupe
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Britta Höhne
651001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2012

Ein Depp ist stets der Klügere

Die Geschichte ist, ja, wie ist sie eigentlich? Rührend? Rührend ist ein gutes Wort und zudem ist die Geschichte sehr sehr menschlich. Da ist dieser Dorfdepp aus dem Allgäu mit Namen Ewald Fricker. Dieser Fricker kann nicht viel: Nicht lesen, nicht schreiben, nicht lieben. Aber was er kann, kann er richtig gut: Planierraupe fahren und Akkordeon spielen. Jockel Tschiersch, im eigentlichen Beruf Schauspieler, hat sich eine schöne Geschichte ausgedacht, die, der Titel verrät es fast, streckenweise etwas flach anmutet: Rita und die Zärtlichkeit der Planierraupe.

Was ist die Aufgabe eines Romanes? In erster Linie unterhalten. Eine schöne Geschichte liefern, originell vielleicht und mit Glück ein sprachlicher Hochgenuss sein. Tschiersch liefert seinen Plot, der im Grunde nicht schlecht ist, zum Teil in Mundart, was, zumindest den Protagonisten in all seiner Dümmlichkeit liebenswert erscheinen lässt.

Zurück zum Anfang: Ewald Fricker schafft als Raupenfahrer in der Kiesgrube von Karl Zwerger. Der wiederum hat sich von seiner Frau abgewendet, um ein Techtelmechtel mit der Disponentin  Rita Zieschke erst zu beginnen - und dann zum Lebensziel reifen zu lassen. Karl fingiert einen Konkurs, um sich mit seinem "Schmetterling" Rita abzusetzen, die den Plan für nicht schlecht, aber auch nicht für erstrebenswert hält. Nach einem Betriebsfest verkündet Karl die Pleite der Firma und Ewald setzt sich ab: Mit einer alten Planierraupe der Marke Fiat-Allis, um an der ersten Deutschen Meisterschaft im Präzisions-Planieren an der Ostsee teilzunehmen.

Karl schickt Rita in seinem alten Porsche 911 hinterher. Zurück bringen soll sie Ewald samt Raupe, damit das marode Gerät ebenfalls in die Konkursmasse einfließen kann. Und dann kommt doch alles anders: Ewald der Depp ist gar keiner, erweist sich als überaus geschickt – nicht nur im Lenken der Raupe – und trägt am Ende den Sieg nach Hause.

Der Roman unterhält, ohne Zweifel, aber auf einem sehr gemischten Niveau. Dabei wirken die flachen Plattitüden des vermeidlichen Deppen Ewald noch als klügste Aussagen. Dann etwa, als er über die Zufriedenheit sinniert:

 

"Ich bin zufrieden, mit dem wie`s ist. Wenn man erst mal anfängt mit dem Unzufriedensein, dann sucht man immer weiter, bis man dann so unzufrieden ist, dass einem gar nix mehr gefällt. Und dann ist man bloß noch zufrieden, wenn man unzufrieden ist."

 

Sätze wie diese sind schlicht zu selten. Eigenartige Szenen durchziehen das Buch, dessen Grundidee doch eigentlich eine gute ist. Nur mit der Umsetzung hapert es. Da können auch die aktuell kritischen Töne zum Thema Stuttgart 21, Leiharbeiter, "Aufschwung Ost, solang`s nix kost! Heiligendamm sieht schon aus wie zugekackt! Geldscheißer-Ghetto!" das Ruder nicht mehr herum reißen. Auch die Umgangssprache, die nichts mit der Dialektfärbung zu tun hat, ist oft schwer zu ertragen – inmitten einer eigentlichen Liebesgeschichte. Was um so schwerer wiegt, da sich der 1957 in Weiler im Allgäu geborene Autor durchaus mit Sprache auseinander setzt. Nicht nur in seinen Theater- und Fernsehrollen, auch in seinem Schriftwerk: 

 

"Dieses »gerne« war auch so ein Wort, das Karl schon nicht mehr hören konnte. Es war selbst im Allgäu schon zu einer gastronomischen Unsitte geworden, dass eine Bedienung »gerne« sagte und mit dem Blick zeigte, dass sie den Gast eigentlich zum Teufel wünscht. Genauso schlimm wie »gerne« waren auch »vor Ort«, »zeitnah« und »gut aufgestellt«."

 

"Schuster bleib bei Deinen Leisten", besagt der Volksmund und als Schauspieler und vor allem als Mann auf der Bühne ist Jockel Tschiersch oben angekommen. Für den literarischen Olymp bedarf es weitere Gehversuche. Den allerdings, so klingt es an, will der Schauspieler gar nicht erklimmen. Der Allgäuer sucht schlicht ein Zwischenlager für seinen "Geschichten-Sondermüll", wie er in einem Interview nicht ohne Augenzwinkern verrät. Dafür zumindest ist es unterhaltsam. 

Rita und die Zärtlichkeit der Planierraupe

Jockel Tschiersch, Goldmann

Rita und die Zärtlichkeit der Planierraupe

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