ein köstlicher Duft der indischen Küche
Zweifellos wird der Leser schon aufgrund des Covers, und noch mehr vom ungewöhnlichen Titel des Buches, angezogen. Und im Grunde ist es auch so, dass der Titel – was heute gar nicht selbstverständlich ist – genau die Handlung des Buches umreißt.
Man startet in Indien, genauer gesagt in Mumbai, dem ehemaligen Bombay, und begleitet den jungen Hassan Haji auf seinem Lebensweg. Die meiste Zeit verbringt man in der Küche, zuerst in Mumbai, als Hassans Vater mit einer kleinen Garküche beginnt und schließlich immer größer wird und es zu großem Ansehen bringt und letztendlich auch in England und Frankreich.
Wie bei Muslimen üblich, ist der Familienzusammenhalt sehr groß und so besteht die Familie nicht nur aus Eltern und Kindern, sondern auch Großmutter, Großvater, Tanten, Onkel und jeder Menge Geschwister, Nichten und Neffen, Cousins und Cousinen. Ein schier unüberschaubarer Familienclan.
Locker, leicht erzählt Morais die Erlebnisse Hassans, den man durch die schmutzigen Straßen der Armenviertel in Mumbai ebenso begleitet wie durch die extrem belebten Einkaufsstraßen der riesigen Stadt. Man hört den Verkehrslärm, die Autos hupen, die Leute rufen; sieht die Menschen durch die Straßen eilen, gehetzt und ohne nach links und rechts zu sehen und riecht natürlich auch die Düfte aus den unzähligen Lokalen, Küchen und Imbissständen. Man ist mitten drinnen in der fremden Welt und fühlt sich doch so sicher aufgehoben. Hassan und seine Familie nehmen einen auf in ihren Kreis und man fühlt sich wohl unter ihnen.
Beinah die ganze erste Hälfte des Buches dominiert Hassans Vater die Handlung und gibt das Tempo vor. Morais erzählt die Geschichte so cineastisch, dass er als Autor gänzlich in den Hintergrund tritt und man sich in einem Kino wähnt. Als die ganze Familie Abbas Hajis sich auf eine lange Reise durch Europa macht und sich zuerst in London und schließlich in Frankreich wieder niederlässt, meint man, schon eine Ewigkeit mit den Indern verbracht zu haben.
Richard Morais erzählt leicht und mitreißend und seine Sprache ist einfach und flüssig, aber auch pointiert und der Leichtigkeit der Erzählung angepasst. Und immer wieder und zu jeder Gelegenheit gibt es einen Exkurs in die Küche, hauptsächlich die indische Küche. Leser, die sich nie mit den kulinarischen Genüssen dieses Landes beschäftigt haben, werden auf vieles Unbekannte stoßen, was aber auf jeden Fall neugierig macht. Ganz klar stehen Hassan und die Küche im Focus des Geschehens und als die große Familie sich in Lumiére in Frankreich niederlässt und ausgerechnet ein Restaurant gegenüber des alt eingesessenen Restaurants von Madame Mallory eröffnet, legt die temporeiche Geschichte noch einmal zu. Madame Mallorys und Abbas Hajis Kleinkrieg sind zweifelsfrei der Höhepunkt des Buches und es ist ein reiner Genuss den äußerst amüsanten Schlagabtausch der beiden zu folgen.
Morais erzählt zwar mit großer Leichtigkeit und auch Humor, aber dennoch ist das Buch alles andere als oberflächlich. Immer wieder kommt es auch zu ernsten Szenen, zum Verlust eines Familienmitglieds oder Verletzung von Gefühlen. Abwechslungsreich ist der Roman nicht nur an Figuren, sondern auch an Ereignissen. Als Morais nun Hassan allein die Führung übernehmen lässt und ihn nach Paris schickt, um seinen beruflichen Weg zu gehen, dreht sich plötzlich die Geschichte in ein anderes Licht.
Madame Mallory und der kleine indische Küchenchef ist eine leicht zu lesende Lektüre mit großem Unterhaltungswert, aber auch vielleicht nicht zu erwartendem Tiefgang. Einmal eingetaucht in die indische Küche, wird man nicht mehr so schnell herauskommen.
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