Bekenntnisse eines Zuhälters

  • Berlin: Matthes & Seitz, 2011, Titel: 'Bekenntnisse eines Zuhälters', Seiten: 251, Übersetzt: Lacy Kornitzer
  • Pécs: Jelenkor, 2009, Titel: 'Egy makro emlékiratai', Seiten: 286, Originalsprache
Bekenntnisse eines Zuhälters
Bekenntnisse eines Zuhälters
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Lutz Vogelsang
801001

Belletristik-Couch Rezension vonMär 2012

Die Angst vor dem Leben

Der ewige Student Blue hat sich vorgenommen, es im Leben zu nichts zu bringen. Solange er das Geld zusammenkratzen kann, um sich mit seiner Clique auf den ein oder anderen Cognac zu treffen, scheint ihm sein Leben in Ordnung. Anstatt sich seinem Lehramtsstudium zu widmen, lässt er sich durch das beschauliche Novi Sad der 60er Jahre treiben, betrinkt sich mit seinen Freunden oder wandert wie ein Besessener durch die Straßen der serbischen Provinzhauptstadt.

"Wir dürfen nicht träumen - wir haben kein Geld."

Fragen nach seinen Ambitionen kontert er lapidar und einzig mit dem Wunsch, irgendwann ein Auto zu besitzen. Kein Wunder, dass er das unmoralische, aber lukrative Angebot des "Ingenieurs" annimmt, für ihn als Privatsekretär zu arbeiten. Unmoralisch deshalb, weil seine einzige Aufgabe darin besteht, heimlich Fotos von dessen Schäferstündchen zu machen, um die jungen Mädchen später mit den Bildern zu erpressen. Zwielichtiger wird es nebenbei nicht – insofern ist der Titel "Bekenntnisse eines Zuhälters" irreführend. 

"Es ist befriedigend, dass die Zeit vergeht. Für eine Weile haben wir uns die Traurigkeit vom Leibe halten können."

Trotz des leichten und gelassenen Tons, in dem das Tagebuch verfasst ist, lässt es Schwermut und Beklemmungen im Leser aufsteigen. Dies liegt vor allem am resignativen Wesen der Hauptfigur, die Angst vor der eigenen Courage hat und jede Form von Ambitionen – auch bei seinen Freunden – mit Spott und Überheblichkeit zurückweist. So ziellos, wie er durch die Stadt stromert, so ziellos streift er durch den ewigen Alltag seines Lebens. Es gibt nur wenige Menschen, die wirklich Einfluss auf Blue haben. Unter ihnen die bestechend schöne Prostituierte Csicsi, die ihn ständig dazu ermutigen will, sich seinem Leben zu stellen. Auch sein Universitätsprofessor Sik versucht, sich dem Jungen anzunehmen. Trotz dessen augenscheinlichem Desinteresse an seinem Studium, verteidigt er ihn vor seinem Kommilitonen und versucht, ihm mit seiner großväterlichen Art einen Weg zu weisen.

"Ich müsste meine jämmerlichen Ambitionen aufgeben, meine lächerlichen Wünsche."

Am Anfang des Buches bekommt Blue eine Figur mit drei Affen geschenkt, von denen sich jeweils einer den Mund, die Ohren und die Augen verdeckt. Nichts sagen, nichts hören, nichts sehen – ein altes japanisches Symbol für Weisheit. Er nimmt den Anhänger auch gerne als Talisman an. Schließlich muss er aber auf die harte Tour lernen, dass dieses Denken für ihn lediglich eine Einbahnstraße ist. Er kommt an den Punkt, an den er gezwungen wird, Position zu beziehen.

Laszlo Vegel schildert das Leben einer Generation, die droht, an der Banalität des Alltages zu zerbrechen. Der ägyptische Literaturnobelpreisträger Naguib Mahfouz hat einmal gesagt, das größte Leiden sei nicht die Angst vor dem Tod, sondern die Angst vor dem Leben. Eine Angst, die auf allen 250 Seiten dieses Buches deutlich wird. "Bekenntnisse eines Zuhälters" ist ein Buch über das erwachsen werden und die Suche nach Orientierung und besticht durch seine derbe Authentizität und seine schnörkellose Sprache.  Vegel ist - genau wie seine Protagonisten – Angehöriger der ungarischen Minderheit in Serbien und hat zu jener Zeit selbst in Novi Sad studiert. Es scheint also nicht abwegig, dass seine Darstellung stark autobiographisch geprägt ist.

Obwohl das Buch erst jüngst zum ersten Mal auf Deutsch erschienen ist, ist es mehr als 40 Jahre alt. Dennoch ist das Thema "Orientierungslosigkeit der Jugend" unverändert aktuell. Leider hat das Buch seine Längen. Der Autor verstrickt sich zeitweise in ellenlangen inneren Monologen, von denen einige nicht leicht nachzuvollziehen sind. Auf der anderen Seite bleibt vieles reine Anspielung. Dennoch  ist es ein lesenswertes Buch, das zum Nachdenken anregt und das während der letzten vier Dekaden kaum etwas von seiner Aktualität eingebüßt hat.

Bekenntnisse eines Zuhälters

Lászlo Végel, Matthes & Seitz

Bekenntnisse eines Zuhälters

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