Das Sommerfest
- Roof Music
- Erschienen: Januar 2012
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- Bochum: Roof Music, 2012, Seiten: 6, Übersetzt: Frank Goosen
Das Fremde der eigenen Heimat ertragen
Die Geschichte hat kein knalliges Happyend. Endet auch nicht in einer Katastrophe. Sie plätschert viel mehr einfach so dahin, wie viele Geschichten einfach so plätschern. Zwar ist Frank Goosens neuester Roman "Sommerfest" schön erzählt, selten langatmig, detailliert, mit viel Liebe zum Pott und schlüssig, aber irgendwie fehlt dem Roman ein gewisser Schwung, den Frank Gooesen in seinen vorherigen Romanen durchaus mitzuliefern in der Lage war.
Goosen-Bücher sind keine literarischen Hochseilakte – sie sind vielmehr bodenständig, direkt dran an den Personen, die etwas erleben und an denen, die sich im Erleben wieder entdecken. In diesem Fall trifft es die Generation der über 40-Jährigen. So mancher Leser wird sich im sympathischen Stefan Zöllner sicher wieder erkennen. In München lebt er, seit etwas mehr als zehn Jahren, aus Bochum kommt er. Anka ist seine aktuelle Liebe und Charlotte, genannt Charlie, ist seine große Liebe. Und eben wegen dieser Charlie zog er fort und kehrte nicht zurück, erst, als er das Haus seiner verstorbenen Eltern verkaufen musste, in dem ein Onkel, ein Nenn-Onkel, lebte, bis er das Zeitige segnete.
Ab da nimmt die Geschichte einen fast absehbaren Verlauf: Wäre da nicht der eigenartige Freundeskreis, der in Bochum - 600 Kilometer weit entfernt von München – auf Stefan wartet. Da sind unter anderem Toto und Diggo (zwei Kleinkriminelle), da sind Frank Tenholt, seine Frau Karin, da ist Thomas Jacobi mit Freundin Mandy, Omma Luise, Stefans richtige Oma und natürlich Charlotte Abromeit, "die Frau, bei der man weiß, woran man ist". Anka wartet im fernen München und ein Vorsprechen für eine Vorabendserie ebenfalls. Stefan ist Schauspieler.
Die Sache wird schwer für Stefan. Ein Wochenende soll ihm bleiben. Rasch ein Paar Freunde treffen, das Haus verkaufen und wieder zurück nach München. Doch alles holt ihn ein, die Erlebnisse mit Charlie, der Charme des Potts, die Liebe zum Fußballverein und immer wieder die Sprache, die doch anders ist als andernorts und mit dem bayrischen Dialekt so gar nichts gemein hat:
"In München lebt man nicht", sagt Diggo, "da wohnt man nur."
"Warst du schon mal da?"
"Bin ich bescheuert? Wenn ich die reden hör, fang ich schon an zu kotzen!"
Und da kommt Frank Goosen ins Spiel: Er legt seinen überaus sympathischen Protagonisten Sätze in den Mund, die ein jeder Leser sofort unterstreichen möchte. Etwa den: "Woanders weiß er selbst, wer er ist, hier wissen es die anderen. Das ist Heimat." Überhaupt nähert sich der Autor der Erfolgsromane "Liegen lernen", "Pokorny lacht" und "So viel Zeit" ganz sachte dem Thema Heimat an. Ganz leise und vorsichtig, weil es gerade für Stefan – und für viele Menschen mehr - ein Thema ist, das tiefer geht und nicht nur an der Oberfläche kratzt. So nimmt Stefan im Verlauf des Romans alte Redewendungen wieder auf, nähert sich der Aussprache an (Schangsen, Schampong, Pafföng, Grateng, Restorang, Spass mit kurzem a), googelt was das Zeug hält nach bestimmten Themen und stellt am Ende fest, dass er weder der Erinnerung an Charlie entkommen kann, noch die an seine Eltern.
Wem auch nicht zu entkommen ist, sind Kindheitserinnerungen der Generation 40-plus: Damals, als es noch Eissorten gab, die Namen wie Domino, Happen oder Nogger trugen, als es darum ging, Piss-Pott zu spielen, um für ein Fußballmatch den besten Spieler zu ergattern. Damals, als Fanta nur der Name einer einfachen Brause war und nicht mit dem Zusatz "vier" zu einem Bandnamen verflochten wurde und als die eigenen Kinderzimmer mit der späteren Draufsicht plötzlich viel kleiner ausfielen. Auch Klischees halten Einzug, die der verspiegelten Minibar etwa, gefüllt mit erlesenen Spezialitäten, "von Mariacron bis Weizenjunge".
Ein wenig erinnert Goosens Werk an die bereits zahlreich erschienen Generationen-Geschichten. Aber Goosens Geschichte ist fein, mit Witz untermalt und mit Fakten belegt. Sie ist warmherzig erzählt, skurril zuweilen, mit zahlreichen wiederkehrenden Anekdoten, die nicht ein Mal Langeweile aufkommen lassen. Schließlich, weiß auch Woody Allen, gibt es nur zwei gute Witze: Den, den man immer wieder erzählt und den, den man immer wieder erzählt.
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