Den Mut, an sich zu glauben
Für Marko ist das Leben vorbei. Seit zehn Jahren fristet die einstige Fußballhoffnung ihr Dasein als Gehilfe auf dem Standesamt. Eine Sportverletzung hat der verheißungsvollen Karriere ein vorschnelles Ende bereitet. Gerade als Marko zu dem Schluss kommt, dass nichts, was er tut, von Bedeutung ist, gerät sein Leben aus den Fugen. Nicht nur, dass Marko auf seinen einstigen Schulfreund Iwan Raupach trifft, der sich als Kleinkrimineller durchschlägt, er gerät auch an die Lebkuchenverkäuferin Franziska, die in ihm ungeahnte Gefühle weckt. Zu allem Überfluss beteiligt sich Marko schließlich an der Entführung Bettinas, der Freundin eines reichen Geschäftsmannes. Doch wovon sich die Gauner Reichtum erhofft haben, wird zum Flop: Der Geschäftsmann will seine Freundin nicht zurück und verweigert die Lösegeldzahlung.
Auf den ersten Blick hat Johannes Muggenthaler eine recht amüsante Gaunergeschichte geschrieben. Der Autor bedient sich dabei hemmungslos aus dem Fundus von Charakteren, wie sie in jeder deutschen Stadt – oder hier Kleinstadt – anzutreffen sind. Männer und Frauen, die ihre Träume längst begraben mussten und nun versuchen, sich mehr oder weniger geschickt einem ereignislosen Alltag zu stellen. Sie alle haben ihre beste Zeit hinter sich und scheinen nichts mehr verlieren zu können. Genau dies macht sie zu den geeigneten Protagonisten in Muggenthalers Roman.
Erst auf den zweiten Blick offenbart sich dem Leser der eigentümliche Rhythmus, dem die Geschichte folgt. Was zunächst grau und trist wirkt, bekommt Konturen, schält sich aus einer diffusen Masse heraus und wird zu einem einfachen, wenn auch liebenswerten Geschehen. Man rückt den vermeintlich verkrachten Existenzen näher und beginnt unvermittelt darauf zu hoffen, das Leben könnte sich gnädig erweisen und ihnen allen neuen Boden unter die Füße legen. Denn die Menschlichkeit, mit der Johannes Muggenthaler seine Figuren ausstattete, fordert dazu auf, sich mit jedem Einzelnen und dessen wahres Ich auseinanderzusetzen. Die Folge davon ist eine vertraute Situation: Man nimmt am Schicksal seiner Freunde teil.
So absurd sich die Geschichte ausnimmt, so liebenswürdig ist sie letztlich. In ihrem stetigen Scheitern bleiben die Protagonisten doch, was sie schon immer gewesen sind: Menschen, die es besser machen und besser haben möchten. Jeder der Beteiligten offenbar in einer schwachen Minute sein wahres Ich und zeigt Gefühle. Dies kommt jeweils so unerwartet, dass der Moment schon fast vorbei ist, ehe man ihn zu begreifen beginnt. Hier offenbart sich Muggenthalers Kunst, mit seiner Geschichte in Bann zu ziehen und gleichermaßen zu unterhalten, wie auch eine Art Betroffenheit auszulösen. Man mag es dem Autor nachsehen, dass er immer wieder zu einem Spiegel greift und ihn den Lesern entgegen streckt. So mit sich selber konfrontiert vermag man es kaum, sich unbeteiligt zu geben.
"Die letzte Trauung" lädt dazu ein, sich mit dem Autor auf eine gedankliche Reise zu begeben, Halt in einer durchschnittlichen Kleinstadt zu machen und dort hängen zu bleiben. Witzig, oft überzeichnet und doch immer irgendwie real, melancholisch und nicht ohne Selbstironie erzählt Johannes Muggenthaler seine Geschichte. Den Roman wird man ohne ein wissendes Lächeln auf den Lippen beiseitelegen. Auch wenn vieles offen bleibt, was man so gerne geklärt haben wollte, wird man zufrieden damit sein, die neuen Freunde wieder ziehen zu lassen und der Geschichte Raum zu geben, in den Gedanken noch eine Weile nachzuwirken.
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