Bartens' Humor kommt der Witz abhanden
Alex möchte eigentlich nur Eines: Endlich das Liebesleben mit seiner Frau Clara wieder in Gang bringen. Als Verhaltensforscher beschäftigt Alex sich mit dem Liebesleben von Primaten, seine Frau ist – trotz der fünfjährigen Zwillinge – als Urologin tätig. Kommen die beiden trotzdem mal zusammen, ist von erfüllendem Sex keine Rede. Also eine Ausgangslage, die einiges Potenzial hat. Erst recht, da Alex alles Mögliche anstellt, um seine sexuellen Gelüsten wenigstens in einer Affäre ausleben zu können. Doch Betrügen will gelernt sein, wie Alex feststellen muss.
Das Potenzial in der Story vermag Werner Bartens leider nicht abzuholen. Zwar steigt er mit Witz in die Geschichte ein und setzt auch einige Pointen gekonnt ins Szene – doch dann verliert der Roman zunehmend an Substanz und verkümmert schließlich zu einer gerade mal durchschnittlichen Geschichte. Schade mag man hier angesichts des recht starken Auftakts denken.
Tatsächlich würde man Werner Bartens gerne nochmals zurück an den Start schicken – oder wenigstens zurück zum Ende des ersten Drittels. Denn da beginnt die Geschichte merklich zu schwächeln. Alex zwanghafte Fokussierung auf den möglichen Sex mit seiner Frau bekommt langsam eine schale Note. Der von verpassten Gelegenheiten, Missverständnissen und falschem Stolz geprägte Tanz der beiden ums zentrale Thema – nämlich endlich wieder ungehemmt Sex miteinander zu haben – wird schlicht und einfach langweilig. Dabei hätte die Story auch hier noch einige hoffnungsvolle Ansätze vorzuweisen. So etwa die krankhaft auf Männer fixierte Freundin der beiden, die sich unheimlich ins Zeug legt, um dem sich längst in einer Ehekrise befindenden Paar eine unglaubliche Party zum zehnten Hochzeitstag zu organisieren. Oder die ungeschickten Versuche von Alex, seine wissenschaftliche Erfahrungen auf Frauen anzuwenden und sein zwangsläufiges Scheitern.
Bedauerlicherweise entsteht immer stärker der Eindruck, als würde nicht nur Alex' Denken sondern auch jenes des Autors etwas zu fixiert auf Sex ausgerichtet. Vermag man zunächst noch mit Alex mitzufühlen, nervt der notgeile, weltfremde und enorm verklemmte Forscher mehr und mehr. Und auch für Clara mag man nur begrenzt Sympathie empfinden. So zieht sich der Leser also mehr und mehr aus der Geschichte zurück, bis er sich fragt, weshalb er dem Paar bei seinen abstrusen Bemühungen weiter über die Schulter blicken soll.
Die Konzentration aufs zentrale Thema Sex drängt leider auch jene Komponenten in den Hintergrund, die dem Roman durchaus etwas mehr Tiefe geben könnten. Denn Bartens macht im Prinzip nichts anderes, als eine recht häufige Entwicklung einer Paarbeziehung aufzuzeigen. Und das macht Bartens gut. Der Autor verzichtet auf Schuldzuweisungen, lässt beide Partner zur Sprache kommen und gibt dem Leser genügend Freiraum, sich die Situation auch tatsächlich vorstellen zu können. Wer also das Balzgehabe des Forschers und seiner Frau beiseiteschieben kann, wird einiges darüber erfahren können, wie schnell sich Missverständnisse und Schweigen zum Problem auswachsen können.
Letztlich stellt sich die Frage, was Werner Bartens mit "Betrügen lernen" denn nun tatsächlich erzählen wollte. Wollte er eine ironisch-witzige Geschichte über eine gestörte Paarbeziehung vorlegen und das Publikum zum Schmunzeln anregen oder hatte er die Absicht, die Hintergründe eines sich abzeichnenden Scheiterns einer Ehe aufzuzeigen? Beides ist ihm teilweise gelungen – aber keineswegs überzeugend genug, um dem Roman eine klare Bestimmung zu geben. Glaubt man dem Klappentext soll "Betrügen lernen" eine humoristische Anleitung für chronische Paare sein, die es bleiben wollen. Da sollte man sich aber lieber nicht darauf verlassen. Denn das Wort Sex ist in diesem Roman mit der Zeit so oft bemüht worden, dass es zum Schluss jedes Prickeln vermissen lässt. Und so empfiehlt es sich denn doch, über die Libido hinaus zu sehen und den tieferen Blick den ganz gewöhnlichen aber fiesen kleinen Stolpersteinen auf dem Weg zu einer glücklichen Beziehung zu schenken.
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