Die Kältezentrale

  • Frankfurt am Main: Schöffling, 2011, Seiten: 216, Originalsprache
Die Kältezentrale
Die Kältezentrale
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Birgit Stöckel
751001

Belletristik-Couch Rezension vonMär 2012

Von einem, der mit der Vergangenheit abgeschlossen hat

In Inka Pareis neustem Roman "Die Kältezentrale" kehrt ein Mann nach zwanzig Jahren in den Osten Berlins zurück, den er kurz vor der Wende verlassen hat um in den Westen zu gehen. Auslöser ist der Anruf seiner ersten Frau, die unheilbar krank in einem Krankenhaus liegt. Sie bittet ihn, Nachforschungen anzustellen, da sie befürchtet, ihre Krankheit hänge mit dem Aufenthalt in einem ukrainischen LKW kurz nach der Katastrophe von Tschernobyl zusammen.

Als der Mann, der den ganzen Roman über namenlos bleibt, in die Stadt zurückkehrt, wird er von Erinnerungen eingeholt. Nicht nur an seine Ehe, sondern auch an seine Kindheit, an die Zeit, die er als Handwerker in der Klimatechnik eines Ost-Berliner Verlages gearbeitet hat und an den Freitod eines Kollegen, an dem er selbst sich die Schuld gibt und an dem er immer mehr zu zweifeln beginnt. Er erkennt, dass er mit seiner Vergangenheit noch nicht abgeschlossen hat.

"Die Kältezentrale" ist kein einfach zu lesendes Buch. Zu häufig und abrupt sind die Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit,  zu ungeordnet und unstrukturiert die Gedanken, Erinnerungen und Handlungen der Hauptperson und damit auch der Aufbau der Geschichte. Kapitel gibt es keine, so dass man als Leser am Anfang eines neuen Absatzes nicht immer sofort genau weiß, ob man sich nun in der Gegenwart oder der Vergangenheit befindet.

Ebenso verwirrend ist es, dass der Protagonist sich seiner eigenen Erinnerungen nicht mehr sicher ist und viel in Zweifel zieht, was damals geschehen ist. Da das Buch durchgehend aus der Ich-Perspektive erzählt ist, weiß der Leser nie mehr als der Erzähler selber und ist somit genauso unsicher und hilflos wie dieser.

Auch wird am Ende nicht alles völlig aufgelöst, was einerseits zwar ganz reizvoll ist, andererseits aber die teilweise Verwirrung nicht mildert.

Sprachlich bedient sich Inka Parei einer sehr kühlen, nüchternen Sprache, die gut zu ihrem Hauptprotagonisten passt, der kein Freund großer Worte ist und sich sehr schwer tut, Gefühle zuzulassen und zu zeigen. Dadurch wird allerdings auch eine sehr nüchterne Atmosphäre erzeugt, die es dem Leser oft schwer macht, mit dem Protagonisten mitzufühlen und sich in ihn hinein zu versetzen.

Hier und da findet man aber auch sehr schöne Sätze, die stimmungsvoll sind, die die Aufmerksamkeit des Lesers fesseln und zum mehrmals Lesen einladen und dann auch nachhallen. Diese Sätze helfen einem, bei der Stange zu bleiben, wenn man mal wieder Mühe hat, der Geschichte zu folgen oder von der nüchternen Atmosphäre im wahrsten Sinne des Wortes ernüchtert ist. 

Gut aufgezeigt wird die ganz eigene Dynamik, die sich in Gruppen entwickeln kann. Die Schwierigkeiten, die der Erzähler, und später auch ein jüngerer Kollege, zunächst in seiner Arbeit hat, als er als "Neuer" zu einem eingeschworenen Team stößt sind glaubwürdig und nachvollziehbar geschildert. Allerdings ist das sicherlich nichts DDR-spezifisches, denn solche Tatsachen kann man in so ziemlich allen Gruppierungen beobachten. 

Insgesamt macht es "Die Kältezentrale" einem nicht einfach, sie zu mögen. Zwar lernt man eine ganze Bandbreite an Kälte kennen, in den unterschiedlichsten Beziehungen und Bereichen des Lebens, doch muss man sich das Buch definitiv erarbeiten, denn es ist oft mühsam, einen roten Faden zunächst zu erkennen und diesem dann auch noch zu folgen. Ebenso ist es sprachlich über weite Strecken zu nüchtern, um wirklich begeistern zu können. Somit ist es zwar eine im Ansatz sehr interessante Geschichte, die aber durch die Ausführung einiges verliert.

Die Kältezentrale

Inka Parei, Schöffling

Die Kältezentrale

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