Perversion

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2011
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  • : Лілея-НВ, 1996, Titel: 'Perverzija', Originalsprache
  • Berlin: Suhrkamp, 2011, Seiten: 332, Übersetzt: Sabine Stöhr
Perversion
Perversion
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Daniela Loisl
351001

Belletristik-Couch Rezension vonMär 2012

Schrill, laut und ziemlich eigen

Ein ukrainischer Dichter und "Happening- Künstler" reist nach Venedig, um dort ein Symposium zu besuchen. Schon die Hinreise ist alles andere als einfach und als er schließlich doch an seinem Reiseziel angekommen ist, stützt er aus dem Fenster seines Hotelzimmers Nun erst stellen sich viele Fragen, was denn wirklich geschehen ist. War der Sturz ein Unfall? Ein Mord oder gar Selbstmord?

Hier beginnt die ganze Geschichte, denn niemand anderer als der Vermisste selbst erzählt, was er in den Tagen vor seinem Verschwinden alles gemacht hat und gibt so dem Leser einen Einblick in sein ziemlich chaotisches Leben.

Was ist denn das für eine Geschichte die man "Perversion" nennt? Ziemlich außergewöhnlicher Titel, das muss man wohl zugeben. Aber auch ein geschickter Werbeschachzug, denn neugierig macht dieses Wort allemal, wenngleich man nicht den geringsten Schimmer hat, was hier auf einen zukommt. Schon gar nicht, wenn man vorher noch nie ein Buch von Juri Andruwytsch gelesen hat.

Alles beginnt Interesse weckenden und gut geschriebenen Prolog, in dem über das Verschwinden des Protagonisten Stanislaus Perfezki berichtet wird. Aber schon nach der ersten Seite wird erkennbar, dass dieses Buch nicht dem üblichen Schema folgt, sondern einen gänzlich anderen, innovativen Erzählaufbau pflegt.

Dann, im ersten Kapitel, trifft man schon auf den Hauptdarsteller Perfezki. Nun erzählt Perfezki was sich zu alles zugetragen hat und man ist doch angenehm überrascht, so flott, frech und modern gibt er seine Eindrücke wieder. Dass Andruwytsch einen Hang zum Zynismus und feiner Ironie hat. Sprache von zweifelsfrei hohem Niveau und ebensolchem Intellekt. Dennoch ist der Geschichte leicht zu folgen und man unterhält sich gut – bis der Autor beginnt, seine Erzählung zu "zerpflücken", ja,  den Erzählstil in unzähligen Variationen neu zu formatieren und so den Leser zu irritieren. Somit steht nicht mehr der Protagonist Perfezki im Focus, sondern Andruwytsch akrobatische Wort- und Erzählspiele.

"Postmodern" ist nicht gleich schlecht und es wäre sehr vermessen dies zu behaupten. Anderseits stellt sich die Frage, warum ein Autor, der ein so immense Sprach- und Erzählgabe hat, seine vermeintliche (oder auch sichere?) Vielfalt schon beinah destruktiv einsetzt.

Er erzählt  in packendem Tempo mit viel subtilen Witz und auch Charme und plötzlich wechselt er seinen Stil und begibt sich in eine chaotische Wörterflut.

[…] als Weinhauch des blauen Fischs und Blumengeschmack der blutigen Pflaume und tödliche Panik des trunkenen Lehms

in der schilfhopfenstangenschelfgrünen Welt der Höhle leer wie ein trächtiger Schädel und ein geschleckter Friedhof

und ein blühender Pfahl warm wie Lippen das Zwischenlippenband und dunkel wie Frucht am Zwischenbruststrand und still wie Hände im Zwischenbeinland […]

Diese obskure Litanei ergießt sich aber nicht vielleicht über einige Zeilen, sondern über mehrere Seiten, um dann übergangslos in einer ebenso ungewöhnlichen und gewöhnungsbedürftigen Alternative zu münden.

[…] fahrt schwäne – fahrt – was stand da luft holen oder was – hättest zur armee gehen sollen -  nicht in kaschemmen rumhängen – be a man man – wenn nicht dann was – dann kopfschuss – verdammt perfekte technik – oder optik – wisse ich sehe alles – optik oder synoptik […] 

Nun muss man Andruwytsch auf jeden Fall Kreativität zubilligen, denn sein Einfallsreichtum kennt keine Grenzen. Intelligente Anspielungen auf bekannte Literaten sind bei Andruwytsch ebenso zu finden, wie ekelhafte Sprachergüsse aus der untersten Schublade.

Anstrengend ist es nicht nur seinen ständig wechselnden Textarten, sondern seinem geistigen "Höhenflug" zu folgen.

Man kommt nicht umhin das intelligente sprachliche Genie zu entdecken, aber gleichzeitig schwirrt einem auch der Gedanke durch den Kopf: Muss ich mir das wirklich antun?

Perversion

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