Die unsichtbare Gefahr
Das Internet als Spion? Wie viel wissen diverse Internetplattformen und Communities wirklich? Und was ist schon dabei, wenn Surfvorlieben und häufig besuchte Websites gespeichert werden? Fragen, die sich vielleicht schon so mancher gestellt hat, vom Großteil der Internetnutzer aber nicht weiter verfolgt werden.
Nach der Lektüre dieses Romans könnte sich das schlagartig ändern, denn Shumeet Baluja beschreibt in seiner Geschichte eindrucksvoll, welche Macht und Gefahr von der weltweiten Vernetzung ausgeht und welche Eigendynamik dabei entstehen kann.
Stephen Thorpe ist Praktikant bei der weltweit größten Internetplattform in Silicon Valley und hat auf diese Weise Zugriff auf die gesammelten Internetdaten aus der ganzen Welt. Er kennt das Surfverhalten der Menschen und ist in der Lage per Data Mining Benutzerprofile zu erstellen, die ihn mit hoher Genauigkeit Vorhersagen über das Verhalten und die Gewohnheiten jedes einzelnen machen lassen. Als er bei einer neuen Aufgabe wieder eine Datenliste bekommt, die er auswerten soll, ist er mit dem eigentlichen Auftrag schnell fertig. Um im Job weiterzukommen und von der Firma übernommen zu werden, forscht er weiter, gewinnt weitere Informationen und entwickelt eine Präzise Personenliste, die dem Nutzerprofil der ursprünglichen Liste entspricht.
Das er dabei eine Liste mir potenziellen Terroristen aufgestellt hat, wird ihm erst bewusst, als es längst zu spät ist und die ganze Aktion in die falschen Hände gelangt. Baluja, selbst bei Google tätig, entwickelt ein Szenario, welches in der Realität durchaus denkbar ist. Eine Unvorsichtigkeit oder eine durchlässige Stelle und Daten mit großem Gefahrenpotenzial wären dem Missbrauch zugänglich und könnten gezielt für schädliche Zwecke verwendet werden.
In seinem Buch ist es dem Autor besonders gut gelungen, die rasante Entwicklung der Fehler darzustellen. Einmal in Gang gebracht und in die falschen Hände geraten, ist es kaum noch möglich, einzugreifen. Dabei geht Baluja nicht chronologisch vor, sondern er beschreibt in seinen Kapiteln unterschiedliche Schauplätze, Personen und Zeitpunkte. Er greift teilweise um über zehn Jahre zurück, was am Datum über dem jeweiligen Abschnitt zu erkennen ist, oder wechselt die Handlung, in dem er sowohl aus Sicht des Praktikanten, seiner Freundin, des Terroristen oder weiteren Personen erzählt. Auf diese Weise gelingt ihm eine plastische Darstellung, die dem Leser die Entwicklung nachvollziehbar werden lässt. Dadurch erhöht sich gleichzeitig auch die Spannung und die Geschwindigkeit des Romans. Je weiter sich die Katastrophe zuspitzt, desto schneller folgen die einzelnen Zeitpunkte aufeinander, bis es am Ende schließlich zum Show-down kommt.
Fachlich setzt das Buch zwar keine überragenden IT-Kenntnisse beim Leser voraus, die Vorgänge und Zusammenhänge des Internets werden grob erklärt, dennoch ist es von Vorteil etwas mit den Hintergründe und der Nutzung des World Wide Web vertraut zu sein. Der ständige Wechsel der Schauplätze und Zeitpunkte ist zwar gut erkennbar und nachvollziehbar, macht es aber gleichzeitig unmöglich, das Buch als Pausenfüller in der Mittagspause zu lesen, da auf diese Weise notwendige Zusammenhänge, die zum Verständnis beitragen, übersehen oder überlesen würden.
Beluja ist mit seinem Debüt ein empfehlenswerter Roman gelungen, der nicht nur unterhaltsam ist, sondern gleichzeitig nachdenklich macht. Unweigerlich wird man auf die Frage gestoßen, inwieweit das präsentierte Szenario vielleicht heute schon der Realität entspricht und man selbst Teil des Ganzen ist: Das Zeitalter der gläsernen Persönlichkeit hat längst begonnen.
Ein brisanter Roman, der durch seine Aktualität besticht.
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