Stille und leise Erzählung - manchmal etwas zu still...
Walter Kappacher ist für seinen leisen Erzählstil und feine, einfache Sprache bekannt. In "Land der roten Steine" lässt er den alternden Wessely, der Arzt im bekannten Kurort Bad Gastein ist, sein Leben Revue passieren. Er will sich aufmachen in den Südwesten der USA, ins Canyonland, um über sein Leben nachzudenken.
Und so begleitet der Leser Wessely von Bad Gastein nach Utah und wieder zurück. In ganze drei Kapitel ist das Buch unterteilt und im ersten ist Michael Wessely bereits zurück aus den Staaten und fühlt sich plötzlich nur noch vom Tod umgeben.
Beginnend mit dem ersten Kapitel "Vita nuova" (das neue Leben) im personalen Erzählstil, wechselt sich dieser ab mit Wesselys Ich-Perspektive. So beginnt der Protagonist plötzlich mit Hans, einem Freund, zu sprechen, der ihm jedoch nie mehr gegenüberstehen wird. Er berichtet über seine Gedanken und Empfindungen und man spürt mit ihm, wie er mit sich selbst und seinem Leben hadert, alles hinterfragt, als er konfrontiert wird mit dem Abschiednehmen, dem Endgültigen. Die immens empathische Erzählweise lässt den Gedanken aufkommen, Kappachers Geschichte sei autobiografisch – was sie aber nicht ist.
Das zweite Kapitel "De vita beata" (vom glücklichen Leben) beginnt ebenso berührend, feinfühlig und reliefartig. Der Autor wird aber detailverliebter, beschreibt aufs Ausführlichste die Reise mit seinem Jeep-Fahrer Everett Kish. Bild- und farbgewaltig entsteht die Landschaft des Canyon vor dem geistigen Auge und man spürt die Hitze ebenso wie den feinen, roten Staub des Gesteins und der Erde. Allerdings läuft Kappacher auch etwas Gefahr, sich gar zu sehr in Details zu verheddern, allzu lange in bestimmten Szenerien hängenzubleiben und so den einen oder anderen Leser gar zu langweilen. Eine gefährliche Gratwanderung, die wohl - trotz der hervorragenden Sprache und der brillanten Ausführlichkeit der Erzählkunst – nicht jeder Leser gewillt sein wird, mitzugehen. Und dennoch sei jedem empfohlen, die kleineren "Durststrecken" durchzustehen, denn man wird belohnt mit sprachlich so facettenreicher Schilderung der Landschaft, dass diese cineastische Dimensionen annimmt.
Und dann gibt es noch das dritte und letzte Kapitel, "La vita breve" (das kurze Leben). In diesem Teil zieht Wessely sein Resümee. Noch einmal wird die Reise ins Canyonland in einzelnen Sequenzen eingeblendet und Kappacher zieht auch das Tempo – wenngleich sehr gemächlich – wieder etwas an.
Ein Buch über Verlust und Loslassen, über "mit sich selbst ins Reine kommen", quasi eine Inventur des eigenen Lebens. Unaufdringlich, durchdacht und den Nerv der Zeit treffend. Walter Kappachers Buch sei Lesern empfohlen, die das Spiel der Sprache lieben und die feine, wohlklingende Melodie zwischen den Worten hören können.
Und letztendlich bleibt dennoch die Frage: Gibt es das absolut erfüllte Leben?
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