Fix und Forty

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
  • München: Piper, 2012, Titel: 'Fix und Forty', Seiten: 256, Übersetzt: Sophie Zeitz
Fix und Forty
Fix und Forty
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Britta Höhne
651001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2012

Wie Heidi auf Crack

Titel täuschen. Soviel steht fest. Bei Rhoda Janzens Roman "Fix und Forty" ganz besonders. Wer meint, die amerikanische Autorin reihe sich in die Endlosliste der Bücher ein, die die Probleme von Frauen und Männern um das 40. Lebensjahr beschreiben, irrt. Das macht Janzen auch, aber sie legt ihrer Geschichte ihre Herkunft zu Füßen: Die der mennonitischen Gemeinde.

Mit "Mennonite In A Little Black Dress" ist das Buch im Original überschrieben. Über 30 Wochen stand es auf amerikanischen und britischen Bestseller-Listen ganz oben. Doch warum eigentlich?

Rhoda Janzen schildert das Leben von Rhoda Janzen. Dabei lässt sie offen, was der Wahrheit ihres eigenen Lebens entspricht und was frei erfunden ist. Wie Felicitas Hoppe in "Hoppe" gewährt sie Einblicke in ihr ganz persönliches Reich. Überschrieben ist das Buch dennoch mit "Roman". Was gut ist, scheinen doch die anfängliche Katastrophen zu zahlreich zu sein, um von einer einzigen Person getragen zu werden.

Die zuvor heile Welt der Rhoda Janzen zerbricht in tausend Stücke. Kurz nach ihrem 40. Geburtstag wird ihr die Gebärmutter entfernt und schließlich verlässt Rhodas Mann Nick sie für Bob. Kennen gelernt haben sich die beiden über Gay.com. Als würden diese Schläge nicht schon reichen, bricht sich Rhoda bei einem Verkehrsunfall zahlreiche Knochen. Sie braucht lange, bis sie wieder auf die Beine kommt. Nicht nur die körperlichen Gebrechen wiegen schwer – auch die seelischen.

Rhoda beschließt zu gehen. Dahin, wo sie herkommt, zurück in ihr mennonitisches Elternhaus. Längst hat sie der Religion den Rücken gekehrt, was sie aber nicht davon abhält, sich bei ihren Eltern einzunisten und über ihre Vergangenheit und das Leben der Mennoniten zu sinnieren.

Rhoda Janzen benutzt eine Sprache, die wie ein verbaler Tritt in den Hintern daher kommt. Sie schreibt direkt, ohne Berührungsängste und dabei scheint es ihr nichts auszumachen, dass ihre große Leserschaft um die "Darmwinde" ihrer Mutter weiß, über das Liebesleben der Mennoniten, über Inzest innerhalb der Gemeinde und über die Essensvorlieben ihrer Glaubensschwestern und -brüder.

"Fix und Forty" liest sich wie eine Abrechnung. Eine Abrechnung in der schnörkellos alles ausgepackt wird, was die junge und heranwachsende Rhoda stets von all den anderen Mädchen ihres jeweiligen Alters unterschied. Nichts lässt sie aus, nicht die stramm geflochten Zöpfe, die Kleidung und schon gar nicht die Verpackungsmaterialien der Mutter, in denen Spezialitäten wie Tweebak, Hollapse und Borschtsch für die Schule eingewickelt wurden und über ihre Hautfarbe: "Als Volk sind wir bleich wie Schweinekoteletts, gebeizt durch Jahrhunderte des Inzests und der Scham." Der Komplettverlust ihrer Contenance tritt schließlich ein, als ihr ihre fürsorgliche Mutter vorschlägt, sich mit ihrem Cousin Waldemar zu treffen. Rhoda interveniert: "Das ist sowohl Inzest als auch verboten." Rhodas Mutter ist pragmatisch. "Ich denke, das dürfte kein Problem sein, jetzt wo du sowieso keine Kinder mehr bekommen kannst. Vielleicht könnt ihr adoptieren."

Die Autorin spricht die Leser direkt an. "Verehrte Leserinnen und Leser", schreibt sie und macht einen somit zum Verbündeten, was nicht immer leicht auszuhalten ist, bei all den Wirrnissen in ihrem Leben. Janzens Rückblick ist hart und sie hat verstanden, dass manchmal zwei Schritte rückwärts sinnvoll sind, um wieder einen in die vielleicht richtige Richtung vorwärts zu gehen. 

Nur, ob es dabei all der Obszönitäten gebraucht hätte, der  Lästerattacken und bösen Worte, sei einmal dahin gestellt und ist vermutlich Geschmackssache. Was Janzen gekonnt näher bringt, ist der Einblick in das Leben einer interessanten Glaubensgemeinschaft, und sie schließt ab mit ihrer Vergangenheit, in der sie - im Wortgebrauch ihrer Klassenkameraden und deren Eltern - noch das kleine "Sektenkind" war. 

Fix und Forty

Rhoda Janzen, Piper

Fix und Forty

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