Ein Streit ums ´A´
"Christiane und Goethe". Erschienen 1998. Mit "Wohin mit mir", legt Sigrid Damm ein neues Buch vor, das sich jeglichem Genre entzieht. Deshalb wohl verzichtet der Insel-Verlag, der Damms neuestes Buch jetzt auf den Markt gebracht hat, auch auf eine Klassifizierung. Von "Buch" ist die Rede. Einfach nur von Buch.
Sigrid Damms Werk ist Genre übergreifend. Sie erzählt von sich, berichtet über Ingeborg Bachmann, über ihren bereits 2002 verstorbenen Verleger Siegfried Unseld, mischt Spaziergänge durch die Stadt Rom mit Besuchen in zahlreichen Museen und lässt die Leser teilhaben, an ihrem Lappland-Projekt. Einem Projekt, an dem ihre beiden Söhne beteiligt sind.
Ein Stipendium ist es, das die Autorin 1999 in die Ewige Stadt Rom lockt. Genauer ins "Casa di Goethe". Aus dem hohen Norden kommend, wo sie sich eingerichtet hat und wohl zu fühlen beginnt, reist sie gen Süden. In ein Rom im Millennium-Fieber. In eine Stadt, in der tausend Bilder zeitgleich abzulaufen scheinen. In eine Stadt, die sich selbst ausbremst und sich zeitgleich auf der Überholspur befindet.
Sigrid Damm fühlt sich nicht willkommen. Langsam erst nähert sie sich der Stadt an, die Goethe, ihr ewiger Reisebegleiter, erst im dritten Anlauf zu besuchen in der Lage ist. Johann Wolfgang von Goethe ist und bleibt Damms Thema. Und dabei flicht sie Zitate derart geschickt ein, dass das Lesen beider Autoren ein Hochgenuss ist. Das kann Damm, wie ihr schon kurz nach dem Erscheinen von "Christiane und Goethe" bescheinigt wurde. Von ganz oben: Marcel Reich-Ranicki, einst Kritikerpapst mit böser Zunge, bildet sein Urteil über Damms Recherche und zeigt sich begeistert. Sein "Wortbeil" lässt sie leben. Reich-Ranicki ist voll des Lobes. Damms Söhne rufen sie nach Ausstrahlung des Literarischen Quartetts an - und viele Freunde. An den Rummel um ihre Person muss Sigrid Damm sich erst gewöhnen
Mit "Wohin mit mir" wird sie nicht an ihren einstigen Erfolg anknüpfen können. Was schade ist, weil Damm tief in die Geschichte eintaucht. Sie beschäftigt sich mit Roms Architektur, mit der Kunst, dem Leben, den lukullischen Genüssen. Die in Gotha (Thüringen) geborene Autorin bewegt sehr viel, informiert unermüdlich und lässt dabei auf sehr angenehme Weise ihre eigene Geschichte mit einfließen. Ihre Auseinandersetzung etwa mit ihrem Verleger Siegfried Unseld darüber, ob es Christiana oder Christiane heißen muss. Auch die Sorgen um ihre Söhne lässt sie nicht aus. Auch nicht den Wunsch nach einem neuen Partner, der ihr schließlich im Traum erscheint.
Sigrid Damm hat sich unglaublich viel Mühe gegeben. Sie hat recherchiert, geforscht, sich mit den Gemälden Caravaggios auseinander gesetzt, mit Schriftsteller-Kollegen, mit römischen Monumentalbauten, mit Goethe sowieso und mit ihrem eigenen Leben. Dabei scheint ihr eigenes "Sein" mitunter wesentlich interessanter, als das der Größen, die sie bewundert.
Ein großartiges Buch. Voller Wissen und Impulsen und mit einem unglaublich schönen Titel: Wohin mit mir. Sigrid Damm hat ihren Platz im Literaturbetrieb längst eingenommen. "Sie wagte zu leben", schrieb sie selbst über die kühne Caroline Schlegel-Schelling, deren Leben sie zu Papier brachte. "Sie wagt zu schreiben", sollte Damms Maxime sein: Sie verpackt Persönliches in Geschichtliches und es liest sich wunderbar. Chapeau!
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