Wie ein Gehirn im Einmachglas
Caitlin Moran ist mit Sicherheit keine Frau, die schweigt. Sie macht den Mund auf, redet laut – und vor allem viel. Genauso verhält es sich mit dem Schreiben. In fünf Monaten, so ist zu erfahren, hat sie ihren Bestseller "How to be a woman. Wie ich lernte eine Frau zu sein", zusammen geschrieben. Mit einem derartigen Erfolg, dass ihr Wunsch, das Buch möge in jedem Supermarkt günstig zu kaufen sein, kein unerfüllbarer bleiben muss.
Doch, was macht den Erfolg all dieser Neo-Feministinnen aus? Wie schon zuvor Charlotte Roche (Feuchtgebiete), Maria Sveland (Bitterfotze) oder Edy Poppy (Anatomia, Monotonia), stülpt Moran ihr Inneres nach außen. Ohne Scham, ohne Furcht, dass künftig mit dem Finger auf die Frau gezeigt wird, die neben ihrer journalistischen und schriftstellerischen Tätigkeit auch noch zwei junge Töchter zu versorgen hat. Morans selbst gestecktes Ziel ist es, den so gar nicht mit Sex in Verbindung zu bringenden Begriff des "Feminismus", ein wenig Sexappeal zu verleihen, ihn wieder in den Alltag einziehen zu lassen. Ohne das Stigma des Bösen. Ohne das veraltete und miese Image, dass Feminismus etwas Ernstes sei, für "schlecht angezogene, wütende Frauen, die keinen Sex haben".
Morans Schreibe ist eine Mischung aus autobiographischen Anekdoten, Erfahrungen, gepaart mit Witz und Vergleichen, die allerdings oft zweifelhaft daher kommen. Ein Beispiel aus der Abteilung Unterhose: Moran schreibt über die winzigen, unbequemen Dinger mit Gummizug zwischen den Pobacken, "die hinsichtlich Komfort und Ästhetik ähnlich untragbar sind, wie die Grenze zwischen Indien und Pakistan". Naja!
Die Britin, die gemeinsam mit sieben Geschwistern in einem Sozialbau in Wolverhampton aufwuchs, geht chronologisch vor. In 15 Kapiteln, beginnend mit "Der schrecklichste Geburtstag meines Lebens", berichtet sie davon, wie sie ihre Tage bekam, die Schambehaarung wächst, geht der Frage nach, wie sie ihre Brüste benennen soll, wie sie Feministin wird, einen BH kauft, fett wird, sich verliebt, Kinder bekommt, abtreibt und, und, und.
Dabei macht Moran das gut, ganz ohne erhobenen Zeigefinger. Sie setzt ihre Geschichte aus Fragmenten ihres Lebens zusammen, lässt dabei wenig aus - und garniert alles mit ein paar Fakten.
Nach gut der ersten Hälfte des Buches, nachdem Körperlichkeiten und obszöne Wortwahlen abgehakt sind (Übersetzerin Susanne Reinker hat bis hierher bereits eine Höchstleistung vollbracht), wird es interessant. Sexismus am Arbeitsplatz wird Thema und Moran fragt, warum Frauen in gleicher Position noch immer weniger Geld verdienen als Männer? Rund 30 Prozent weniger.
Sie befasst sich mit der Frage des Kinderkrieges und fragt, warum eine Frau nicht auch glücklich sein darf, selbst wenn sie von vornherein sagt, sie wolle keinen Nachwuchs? Dabei blickt Moran nicht nur in die eine Richtung, sie beleuchtet ihre Fragen von allen Seiten, um dann zum Schluss des umfangreichen Buches festzustellen, dass sie immer noch nicht wisse, was es heißt, eine Frau zu sein: "Ich bin immer noch dieselbe chaotische, gutmütige Nullnummer wie damals mit 13. Ein Affe im Kleidchen, der mit einem Laptop spielt... Ich bin ein Clown! Eine dumme Nuss! Eine Knalltüte!" Ein Gehirn im Einmachglas, wie sie sich in jungen Jahren aufgrund ihrer Körperfülle bezeichnete.
"Nein, nein, nein", sei an dieser Stelle gesagt. Sie scheint einfach eine sympathische Mittdreißigerin zu sein, die noch Ideen hat, die nicht Heimchen am Herd spielt und die Klappe hält. Eine, die sich nicht uniformiert und kein Interesse daran zeigt, der Modeindustrie mit ihren geschätzten Einnahmen von rund 900 Milliarden Dollar im Jahr, auch noch Kohle in den Rachen zu werfen.
Hoch anzurechnen ist Moran auch, dass ihr Feminismus, den sie gerne mit dem Zusatz "militant" versieht, sich nicht gegen die Männer richtet. Sie liebt die Männer und schätzt, was sie geschaffen haben: "Gleiche Rechte für Männer und Frauen, überall", lautet ihre Devise. Und das "Wir-sind-doch-alle-Schwestern"-Gesülze gehe ihr derart auf die Nerven, weil es aus ihrer Sicht schlichtweg wirklichkeitsfremd ist. "Arschloch bleibt Arschloch", unterstreicht Moran, "ganz egal, ob wir beide bei Festivals in der längeren Kloschlange anstehen müssen oder nicht." Höflichkeit hingegen ist etwas, mit dem jeder Mensch punkten könne, ganz egal ob Mann oder Frau!
"How to be a woman" ist literarisch betrachtet gewiss kein Meisterwerk. Ihre Sprache ist schnoddrig, fein ist sie nicht. Aber den Anspruch scheint die Autorin, die nur wenige Jahre eine Schule besuchte, auch gar nicht zu haben. Auch ist ihr Umgang mit dem Feminismus weiß Gott ein anderer als der, mit dem eine Alice Schwarzer bereits seit Jahrzehnten ihr Umfeld malträtiert. Moran ist jung, durchgeknallt sicher und blickt auf ein Leben zurück, vor dem man sagen möchte: "Hut ab." Und wenn es ihr gelingt, wirklich eine Fortsetzung zu schreiben, dann hat Moran auf ihre ganz eigene Art mehr erreicht, als viele Feministinnen vor ihr.
Deine Meinung zu »How to be a Woman«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!