Eine nicht ganz einfach zu lesende, moderne Macbeth Adaption
Die Protagonistin und Ich-Erzählerin, über deren Herkunft man nur andeutungsweise etwas erfährt und deren Namen man nicht kennt (sie selbst nennt sich nur an einer Stelle "Lilly"), ist mit dem reichen und mächtigen Medienmogul Basil Duncan verheiratet. Obwohl sie ihn nicht liebt, ist sie ihm immerhin doch zugetan und er bietet eine Möglichkeit, ein sorgenfreies Leben zu führen, zumindest materiell.
Doch sie ist nicht Duncans erste Ehefrau und wird auch nicht seine letzte sein. Duncan ersetzt sie durch die hübsche, farbige Reporterin Ann, doch sorgt er auch für seine Verflossene, in dem er sie an seinen Stellvertreter und potenziellen Nachfolger Alexander weitergibt und den beiden eine Wohnung im "Turm", einem modernen Hochhaus, überlässt.
Doch Alexander und auch seine neue Partnerin streben nach mehr: Mehr Macht vor allen Dingen und im Falle von "Lilly" auch nach Rache. Was als Gedankenspiel beginnt, entwickelt bald eine Eigendynamik und hat zum Ziel, den "König Duncan" zu stürzen. Nach Umsetzung des Plans beginnt "Lilly", ganz wie ihre literarische Vorlage Lady Macbeth, allerdings mehr und mehr an der Tat zu zweifeln und so einfach ist es nicht, Duncan zu vergessen. Dafür sorgt schon ihr schlechtes Gewissen. Hinzu kommt, dass sie sich nie ganz sicher sein kann, von Alexander nicht doch noch verraten zu werden, zumal er sich sehr abweisend verhält, während sie echte Gefühle für ihn entwickelt. Das alles führt sie letztlich zu einem drastischen Schritt.
Einfach zu lesen ist Olga Flors Roman nicht, dazu wirkt er zu diskontinuierlich. Es gibt zwar eindeutig einen roten Faden, doch des Öfteren ist es nicht einfach, diesem auch zu folgen. Zu oft wird die eigentliche Geschichte mit Einschüben, Andeutungen aus der Vergangenheit, Gedankenspielen und ähnlichem unterbrochen, deren Zusammenhang mit der Haupthandlung sich nicht immer erschließt und teilweise zu Verwirrung führt
Erzählt wird das Ganze in einer sehr nüchternen Sprache, der es schwer fällt, Gefühle zu transportieren und somit die Erzählung für den Leser erleb- und erfühlbar zu machen, auch wenn Gefühle eine stärkere Rolle spielen, als der erste Eindruck vermittelt. Doch dazu muss man zwischen den Zeilen lesen (können).
Wer die Geschichte von Macbeth nicht kennt, wird sich naturgemäß mit der Geschichte schwerer tun, als diejenigen Leser, die mit Macbeth vertraut sind, denn die Adaption dieses Themas macht einen Großteil des Reizes des Romans aus.
Ein weiterer Reiz sind die sozialkritischen Seitenhiebe, die verteilt werden. Viele Dinge kommen einem bekannt vor: Die Macht der Medien, die Verschränkungen mit der Politik, wenn es Duncan gelingt, einen seiner Sicherheitsleute zum Polizeichef der Stadt machen zu lassen, die peinlichen Ablenkungsversuche, wenn jemandem verbale Ausrutscher vor laufender Kamera passieren oder die Hilflosigkeit der ermittelnden Behörden, wenn sie einem aufgebrachten Mob gegenüberstehen und die Versuche, von der eigenen Unfähigkeit abzulenken, in dem man Schuldige für das Desaster findet oder mit den Ängsten der Menschen spielt. Und seien sie auch politisch unkorrekt.
Die Geschichte zeigt auch, dass Macht und Geld nicht alles sind. Für "Lilly" scheinen sie zunächst die Erfüllung ihrer Wünsche, da nimmt sie durchaus in Kauf, dass ihre Ehe mit Duncan nicht von Leidenschaft und tiefen Gefühlen geprägt ist. Doch unter der Oberfläche lauert die Unzufriedenheit: Nicht ausgefüllte Tage, immer von Leibwächtern begleitet, kaum Privatsphäre… Ein goldener Käfig ist immer noch ein Käfig.
Auch die Einsamkeit und die Sehnsucht nach echter Partnerschaft und Gefühlen, nicht nur nach Zweckbündnissen sowie der Wunsch, auch mal etwas Sinnvolles und Ausfüllendes zu leisten, spielen in "Lillys" Welt eine Rolle.
Insgesamt ist "Die Königin ist tot" eine interessante Adaption der bekannten Shakespeare Tragödie mit einigen sozialkritischen Ansätzen, die allerdings nicht leicht zu lesen ist. Es erfordert viel Konzentration, am Ball zu bleiben und dem Verlauf der Story zu folgen, sowie die Details unter der Oberfläche zu finden. Zumindest Grundkenntnisse über "Macbeth" sind zwingend erforderlich.
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