Böser Zungenschlag mit deftigem russischen Humor
Hanuman und Sid sind illegal in Dänemark. Der Inder Hanuman will sich von der dänischen Provinz am liebsten nach Amerika durchschlagen. Sid, der eigentlich Jewgeni Sidorow heißt, ist nach einer Straftat in Estland bis zu deren Verjährung ins Ausland getürmt. Wenn schon nicht Amerika, dann wenigstens Lolland, denkt sich sein Kompagnon, der gewitzte Hanuman, der den Namen einer hinduistischen Gottheit trägt.
"Nach Lolland, ins skandinavische Paradies! (…) Dorthin, wo einem Ecstasy in den Mund fällt wie Meteoriten in den Schlund des Ozeans. Dorthin wo die Musik spielt und es tobt. Nach Lolland, ins dänische Ibiza!"
Amerika und Lolland sind ihre Tagträume zwischen Kälte, Hunger und dem Außenseiterdasein. Mit vielen Tricks und kriminellen Mauscheleien schlagen sie sich durch, da sie weder Stütze bekommen, noch arbeiten dürfen. Sie erhalten Asyl im Asyl, bequatschen zwei Heimbewohner im Asylantenheim, sie aufzunehmen, wo sie kaum ein Auge zu tun können, um bei einer Kontrolle nicht erwischt zu werden. Sie klauen und betrügen, arbeiten illegal und scheuen auch nicht davor zurück, bei einem Toten zu nächtigen, bis er verwest. Dennoch lassen sie sich nicht unterkriegen, halten sich mit Witz und einer ewig großen Schnauze über Wasser.
Iwanow, der 1971 in Tallin geboren wurde, lange in Skandinavien lebte und in einem Asylantenheim arbeitete, lässt Sid von ihren Abenteuern erzählen und verpasst ihm einen Ton, den man untertrieben als deftig bezeichnen könnte. Sid und Hanuman kommunizieren miteinander und mit ihrer Umwelt in einer Gossesprache, die mit derbem russischem Humor durchsetzt ist. Wer diesen Erzählton nicht mag, wird den Roman wohl bald zur Seite legen. Denn ein Spannungsbogen ist kaum erkennbar, reiht Iwanow Ereignisse doch wahllos aneinander. Es ist ein Reisetagebuch von Illegalen, die selbst unter Asylbewerbern Geächtete sind.
Keine Frage, dieser laut Verlag "hochpolitische, anstößige Schelmenroman" nimmt die zweifelhafte Asylantenpolitik Europas ungeschönt ins Visier. Roman und Figuren werden jedoch polarisieren. Vermag man doch beim Lesen nur wenig Sympathie für zwei Ganoven zu empfinden, die eine Menge kriminelle Energie haben, die Normalbürger zutiefst verachten und auch über den Mord eines nepalesischen Flüchtlings nachsinnen, als wäre es nicht mehr als eine Lappalie.
Der Autor erzählt eine Menge an Geschichten von Asylanten, der Leser lernt viele Nationalitäten und ihre Eigenheiten kennen. Schicksale, die betroffen machen und dennoch hin und wieder einen Schmunzler verursachen. Den bösen Zungenschlag Iwanows muss man ertragen können, seine Antihelden in ihrer Groteske verstehen, nur dann wird man diesen Roman mögen. Im anderen Fall wird man sich wohl schwertun mit der Lektüre, so hochbrisant dieser Stoff heute auch sein mag.
"Der Europäer hat alles vermasselt!", tobt Hanuman. Hoffen wir, dass er nicht Recht behält! Möge dieser Roman die Augen öffnen und helfen, die Zustände der Asylanten zu verbessern. Möge Europa seine Chance ergreifen.
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