Löwenstern

  • C.H. Beck
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Stuttgart: C.H. Beck, 2012, Titel: 'Löwenstern', Seiten: 331, Originalsprache
Löwenstern
Löwenstern
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Daniela Loisl
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Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2012

oft ist weniger mehr

Überbordend, prall und oftmals auch etwas verwirrend erzählt, mit einer Unmenge hineingezwängt wirkender historischer Persönlichkeiten, die Liebe zu Japan spür- und greifbar gemacht und auch sexuelle Ausritte in einer etwas skurril anmutende Darstellung, so prägt sich Muschgs neuestes Werk ins Gedächtnis wohl so manchen Lesers.

Sehr zwiegespalten lässt einen dieser Roman von Muschg zurück. Einerseits angetan von der der Kraft der facettenreichen Erzählung und der bisweilen opulenten Sprache, der man schon von den ersten Seiten weg verfällt, ist man umso erstaunter, wenn man – anscheinend für den Autor typisch – auf die "erotischen" Erlebnisse des Protagonisten stößt. Ist das ein und derselbe Autor, dessen sexuelle Ergüsse sich zwischen die sprachlich so gewandten, wenngleich nicht immer einfach zu lesenden Zeilen geschmuggelt hat?

Auch wenn der Focus des Romans auf Löwensterns Liebe zu der Figur Nadja liegt, drängt sich einem unweigerlich die Frage auf, wodurch der Autor es notwendig fand, seine ohnehin an Abenteuer und Ereignissen reiche Geschichte, noch durch diese, dem heutigen Rotlichtmilieu entnommene, Szenerie, "aufzupeppen". Was so füllig dicht und mit viel historischer Authentizität dargestellt, beginnt, hinterlässt schnell einen schalen Beigeschmack, der kaum mehr zu beseitigen ist. Diese beiden Extreme sind für den Leser kaum vereinbar.

Muschgs Liebe zu Japan (er lebte selbst einige Jahre dort und ist mit einer Japanerin verheiratet) wird in vielen Szenen spürbar und findet sich – oft auf subtil ironische Weise – zwischen den Zeilen. Muschg ist ein geschickter und brillanter Erzähler, was auch in diesem Roman deutlich zum Ausdruck kommt. Es wird nicht einfach aus dritter Person erzählt, sondern der Protagonist schreibt Briefe an seine (unbekannte) "Exzellenz" und berichtet über sämtliche Ereignisse.

Von Portsmouth beginnt Löwenstern, nebst sechs anderen jungen Männern, seine lange Seereise nach Japan. Dort trifft der Protagonist auch auf die Hure Nadja, die ihn schnell in ihren Bann zieht, nicht mehr loslässt und der er letztendlich zur Gänze verfällt. Die schon schriftlich verbale Pornografie steht im krassen Gegensatz zu der so feinen und genialen Szene, in der Löwenstern auf den großen Goethe trifft und in der er dem großartigen Genie etwas über Japan berichten kann. Meisterlich genial ist dieser Part geschaffen, den man wohl als die Quintessenz dieses Werkes bezeichnen kann.

Aber nicht nur Goethe hat als berühmte Persönlichkeit seinen Auftritt, sondern ebenso Kleist, Fjodor Moor oder auch Kotzebue. Durch die Fülle an Persönlichkeiten und fiktiven Personen, die erotischen Ausschweifungen, die abenteuerliche erste russische Weltumsegelung, die Menge an träumerischen Sequenzen und die Vielzahl an eigentlich wunderbar ironischen oder auch tiefgängigen Szenen, wirkt das ganze jedoch ziemlich überfrachtet. Hier wäre etwas weniger einfach mehr gewesen.

So hinterlässt Muschg den Leser etwas uneins, ob er den Roman nun als genial opulentes Werk mit schriftstellerischen Eigenheiten sehen soll, oder ob er die Geschichte zwar als sprachlich und erzählerisch überbordend, aber dennoch als zu dick aufgetragen, durch ein Zuviel an Informationen und Geschehnissen anstrengend zu lesen und ein Zuviel an ordinären sexuellen Ausritten, als weniger geglückt, einordnen soll.

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