1857 veröffentlicht und noch immer aktuell
Flauberts "Madame Bovary" zählt zu den bekanntesten Romanen der Weltliteratur. Dieser Gesellschaftsroman trägt auch den Untertitel "Ein Sittenbild aus der Provinz". Bei Erscheinen des Romans löste dieser hitzige Diskussion aus und Flaubert musste sich für sein "Verstoß gegen die guten Sitten" sogar vor Gericht verantworten
Emma, die Protagonistin des Romans, ist jung, hübsch und eine Träumerin. Sie liebt es, Romane über die Liebe zu lesen und wünscht sich nichts mehr, als dass sie eines Tages ebenso leben kann wie ihre Romanfiguren, in Luxus und mit einem heldenhaften Mann an ihrer Seite, der ihr jeden Wunsch erfüllt.
Als der verwitwete Arzt Bovary um ihre Hand anhält, wähnt sie sich endlich am Ziel ihrer Träume. Doch Charles ist ein Langweiler. Er hat weder Interesse für Kunst und Kultur noch einen Sinn für schöne Dinge, ist schusselig und auch nicht unbedingt schnell im Geist. Er ist ein guter und braver Ehemann, der seine Frau über alles liebt und selbst da die Augen verschließt, wo selbst ein Blinder schon einen Schatten sehen könnte. Die junge und temperamentvolle Frau ist zwar anfangs bemüht, ihrer Ehe und ihrem Leben so etwas wie Schwung einzuhauchen, sieht aber schnell, dass dies vergebliche Mühe ist.
Was dann folgt, liegt auf der Hand, Emma sucht ihre Erfüllung bei anderen Männern.
Flaubert ist ein Pedant, ein Liebhaber der Details, ein Perfektionist, aber er versteht es auch, seinen Leser dahin zu führen, wo er ihn haben will. Mit unsagbarer Treffsicherheit beschreibt er Szenen und Figuren, sodass für den Leser kein Zweifel bleibt, in welcher Umgebung man sich gerade befindet und zu welchem Charakter der momentane Akteur zuzuordnen ist.
Unweigerlich kommt einem bei der Inhaltsbeschreibung auch Fontanes Roman "Effi Briest" in den Sinn, dessen Thematik ähnlich liegt. Erzählt Fontane mit scheinbarer Leichtigkeit seine Szenerien, so ist Flaubert wesentlich kantiger, klarer, härter, aber auch galanter und raffinierter. Zwar vermeidet es Flaubert absolut, in irgendeiner Weise seine eigene Meinung zu diesem Geschehen zum Ausdruck zu bringen (was ihm letztendlich auch bei der damaligen Gerichtsverhandlung zugute kam), aber zwischen den Zeilen bleibt dem Leser diese dennoch nicht verborgen, wenngleich man etwas Feingefühl für die subtil und klug gesetzten Andeutungen braucht.
Sein unglaubliches psychologisches Gespür und die große Empathie, die Flaubert eigen ist, erlauben ihm sogar, das Geschehen mit einer gewissen Ironie zu versehen. So wurde der Roman ein Vorreiter des Realismus in der damaligen Zeit, obwohl Flaubert selbst sich vehement gegen die Einordnung seines Romans in den Realismus wehrte.
"Madame Bovary" ist zwar vom Thema her immer noch aktuell, aber das Besondere des Buches liegt zweifelsfrei an dem hervorragenden und brillanten Satzbau des Autors und am ebenso perfekten und gekonnten Spiel mit Wort und Sprache. Ein Buch, für das man sich Zeit nehmen und auch gelesen haben sollte
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