Eine Verbundenheit, deren Einzigartigkeit bewegt
Er, Abdel Sellou, ist jung, rebellisch und trotzt den gesellschaftlichen Normen des französischen Staates. Mit dem Gesetz steht Abdel seit jeher auf Kriegsfuß. Bis ihm eine außergewöhnliche Bekanntschaft, aus der im Laufe der Jahre eine tiefe Freundschaft wachsen sollte, die Augen öffnet.
Abdel beugt sich den Auflagen des Arbeitsamtes und erscheint zu einem Vorstellungsgespräch, bei dem er sich um die Stelle eines Intensivpflegers bewerben soll. Ohne Ambition präsentiert er sich seinem potentiellen Arbeitgeber, dem seit einem Unfall gelähmten Philippe Pozzo di Borgo.
Doch – ganz unvermutet – bietet di Borgo Abdel eine Probezeit an. Eine Entscheidung, die das Leben der beiden schlagartig verändert. Denn aus einer reinen Arbeitsbeziehung entwickelt sich ein unzertrennliches Band und eine gegenseitige Abhängigkeit der zwei Männer voneinander. Zwei Freunde, die unterschiedlicher nicht sein könnten, entdecken die Welt neu.
Seitdem 2011 die französische Komödie "Ziemlich beste Freunde" die deutschen Kinosäle füllte, ist vielen die sehr besondere Freundschaft zwischen Philippe, dem gelähmten Privatier, und Driss, dem gewieften Krankenpfleger, ein Begriff.
Im Original lautet der Filmtitel "Intouchables", die Unantastbaren. Und genau jene Unantastbarkeit einer Freundschaft wird in dem Spielfilm in vielen Facetten herausgestellt. Doch was hat es mit den wahren Begebenheiten, auf die sich die Komödie beruft, auf sich? Wie viel Realität steckt in diesem preisgekrönten Kassenschlager? Inwieweit können sich die realen Vorbilder mit der auf Leinwand gebannten Entwicklung ihrer Charaktere identifizieren?
Auf Antworten zu all diesen Fragen dürfen sich die Leser freuen, wenn sie zu "Einfach Freunde" von Abdel Sellou, dem wahren Driss, greifen.
Abdel Sellou wurde 1971 in Algier geboren, verließ seine Heimat dann jedoch bereits im Alter von vier Jahren, als er seinen Verwandten in Paris in Obhut gegeben wurde. Im französischen Großstadtdschungel und umgeben von Immigranten seines Schlags wuchs er zu einem geschickten Taschendieb und Trickbetrüger heran.
Was eine Gefängnisstrafe nicht wettmachen konnte, gelang durch seine Begegnung mit Philippe di Borgo. Ihm als Pfleger zur Seite zu stehen und di Borgos Leben mit ihm zu erleben, brachte Abdel Sellou das nötige Gleichgewicht, das ihm all die Jahre fehlte. Mit "Einfach Freunde" blickt er ehrlich auf seinen eigenen Werdegang zurück und stellt dabei die Freundschaft zu Philippe an oberste Stelle.
Dieses Buch bietet einen mannigfaltigen Erlebnisbericht mit autobiographischem Schwerpunkt. Selbstironie, Aufrichtigkeit sowie Dankbarkeit bestimmen hierbei den Grundtenor der Geschichte. Sellou nimmt kein Blatt vor den Mund und offenbart sich selbst.
Seine Erkenntnis durch die Freundschaft zu Philippe di Borgo ein anderer, gar ein besserer Mensch geworden zu sein, betont er stets aufs Neue. Er vergleicht seine Position als Hilfskraft mit der Funktion eines Hilfsverbs in der Grammatik. Ein Hilfsverb benötigt ein Hauptverb, um Sinnhaftigkeit zu erlangen. In seinem Falle ist der aufgeschlossene, diplomatische di Borgo sein Hauptverb gewesen. Ein Gleichnis, das für sich spricht.
Die Geschichte Sellous glänzt vor allem durch die Vielzahl an bildhaft ausgeschmückten Anekdoten. Der Autor macht keinen Hehl aus seiner kniffligen Kindheit, seiner Distanz zur eigenen Familie und seinem Register als Kleinkrimineller. Unerschrocken, faul und selbstverliebt – so sieht Sellou heute sein jugendliches Ich. Dann vollzog sich eine Wandlung und dem Leser begegnet ein einfühlsamer, sich erkenntlich zeigender, verantwortungsbewusster Familienmensch und Freund, sodass seine häufig gestellte Frage "Wer ist der Beste?" rein rhetorisch ist.
Eine Eigenschaft, die sich der Autor über all die Zeit beibehalten hat, ist sein unverwechselbarer Humor. Erfrischend und herzlich verleiht er damit seiner Erzählung einen Rahmen, der markant und unverhohlen daherkommt. Parallelen zum Film werden wiedergegeben, gestützt und ausgebaut, sodass ein rundes Gesamtbild entsteht.
Die wahren Werte seiner Freundschaft zu Philippe di Borgo – Vertrauen, Empathie und Übermut – illustriert Sellou unmissverständlich.
Für uns Leser – ob wir nun ziemlich beste Freunde oder auch schlicht einfach Freunde sind, birgt diese Geschichte eine unbezahlbare Moral: Echte Freundschaft lässt uns wachsen. Oftmals wachsen wir – ungeachtet aller Hindernisse – über uns hinaus. Echte Freundschaft ist ein tiefer Bund, der vom gegenseitigen Geben und Nehmen an Stärke gewinnt. Ein besseres Beispiel dafür hätten uns Philippe di Borgo und Abdel Sellou nicht liefern können.
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