Kuckucksmädchen

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2012
  • 2
  • München: Piper, 2012, Titel: 'Kuckucksmädchen', Seiten: 176, Originalsprache
Kuckucksmädchen
Kuckucksmädchen
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Andreas Kurth
751001

Belletristik-Couch Rezension vonDez 2012

Ein Mann fürs ganze Leben?

Wanda hat ihren 30. Geburtstag hinter sich, ebenso wie ihr Architekturstudium. Was nämlich als Nebenjob begann, ist mittlerweile zu einer festen Arbeit geworden.  Sie löst Wohnungen auf – und löscht damit Existenzen aus. Aber sie ist eben nicht so schnodderig und rücksichtslos wie manche ihrer Kollegen, sondern interessiert sich für das Leben der Verwandten oder Freunde ihrer Kunden. Respekt, Fein- und Mitgefühl führen dazu, dass sie und die Firma weiterempfohlen werden. Der Chef ist zufrieden – und Wanda macht diese Arbeit gerne. Der aktuelle Auftrag macht ihr allerdings dann doch zu schaffen, immerhin hat ihr Vater sie beauftragt, die Wohnung ihrer verstorbenen Großeltern aufzulösen.

Das Domizil in Ottensen will ihr Vater dann Wanda schenken – sie soll dort mit ihrem aktuellen Freund Jonathan einziehen und ihr eigenes Nest bauen. Und da beginnen für die junge Frau die ernsthaften Probleme. Sie ist sich nämlich überhaupt nicht sicher, ob Jonathan der richtige Mann für den Rest des Lebens ist – oder wenigstens für die überschaubaren nächsten Jahre. Bisher hat sie es immer geschafft, ihre Beziehungen zu beenden, bevor es zu konkret wurde. Aber jetzt gelingt ihr das aus unbegreiflichen Gründen nicht. Vor allem hat Wanda richtig Angst, einen Fehler zu machen, den sie dann nicht mehr korrigieren kann. Was ist, wenn sie Jonathan in die Wüste schickt – und er wäre doch der richtige Mann gewesen, um mit ihm eine Familie zu gründen? Das will Wanda unbedingt herausfinden, und so begibt sie sich auf eine persönliche Zeitreise, indem sie eine Reihe von Ex-Freunden besucht. Dabei will sie feststellen, ob etwas aus der jeweiligen Beziehung hätte werden können. Das ungewöhnliche Projekt bringt ihr viele Erkenntnisse – überraschende und auch unangenehme.

Eva Lohmanns Debütroman "Acht Wochen verrückt" war überwiegend autobiografisch inspiriert und nur wenig ausgedacht, nach Angaben der Autorin ist es bei "Kuckucksmädchen" umgekehrt. Welche Teile des neuen Romans nun Rückschlüsse auf Eva Lohmann zulassen, kann nur die Autorin selbst sagen. Auf jeden Fall hat sie den lockeren und höchst unterhaltsamen Erzählstil beibehalten. Und das Buch bringt nicht nur Frauen einige Aha-Erlebnisse, sondern auch Männer dürften an vielen Stellen herzlich lachen, weil ihnen die geschilderten Situationen und Dialoge höchst vertraut vorkommen.

Ein besonderes Stilmittel, um die inneren Zweifel der Protagonistin zu verdeutlichen, sind Wandas Gespräche mit ihrem Herzen. Meist meldet sich das Organ in kritischen Situationen, und die Dialoge zeigen dann, worum die Gedanken der jungen Frau aktuell kreisen. Da geht es um ihre nach unten gerutschten Brüste, und um die Langeweile, die sich seit einiger Zeit breit macht – und vieles mehr. Irgendwann hat das Herz genug von Wandas "Gezappel". Das Organ redet Tacheles mit ihr - sie soll sich von Jonathan ein Kind machen lassen und mit ihm eine Familie gründen. Oder konsequent sein, und sich einen anderen Mann suchen, damit es mit der Langeweile endlich vorbei ist. Jonathan macht Wanda im Gespräch etwas ungeschickt deutlich, dass sie zu seinen Plänen für die Zukunft gehört, und löst damit bei der jungen Frau einen wahren Panik-Schub aus. Als sie nach dem unvermeidbaren Streit einen ihrer Ex-Freunde im Supermarkt trifft, löst die absurde Situation bei ihr den Plan für ihr Test-Projekt aus. Die Supermarkt-Szene gehört zu den besten im ganzen Roman. Wanda ist schlampig angezogen, ungeschminkt und sieht insgesamt etwas daneben aus. Ihr Ex ist wie aus dem Ei gepellt und so fängt sie sich mitleidige Blicke ein.

Die Besuche bei Wandas Verflossenen bringen dann reichlich Heiterkeit für die Leser – und schmerzliche Erkenntnisse für Wanda. Es bleibt dem persönlichen Geschmack überlassen, welche Station man als Leser am amüsantesten findet. Da ist Phillip, der mit seiner schwangeren Freundin immer noch in der Wohnung lebt, die Wanda einst für die beiden gestaltet hat. Und da ist Max, der mit seiner Frau und den Kindern in einer wahren Idylle lebt, von Wanda nur "Bullerbü" genannt. Jugendfreund Ilya steckt selbst gerade in einer Beziehungskrise und ist erstmal wieder bei Mama eingezogen. Diese Besuche sorgen – zusammen mit dem Dialog zwischen Wanda und ihrem Herz – für einige Veränderungen im Bewusstsein der jungen Frau.

Eva Lohmann nennt "Kuckucksmädchen" einen Roman über die "Generation Option". Die Menschen dieser Altersgruppe um 30 haben heute vielfältige Wahlmöglichkeiten. Aber sie haben es nicht gelernt, sich zu entscheiden – und dabei das Risiko des Scheiterns in Kauf zu nehmen. Viele, und das ist keineswegs typisch für Frauen, lassen sich lieber treiben, in der Hoffnung, der richtige Weg für das weitere Leben werde sich schon von selbst ergeben. Die Autorin hat einen bewegenden Roman vorgelegt, der nachdenklich macht, dabei aber den Leser auch unterhält zu zuweilen amüsiert. Ein lesenswertes Buch, das von mancher Leserin sicher auch mehrfach zur Hand genommen werden wird.

Kuckucksmädchen

Eva Lohmann, Piper

Kuckucksmädchen

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