Jenseits der Dunkelheit

  • fhl
  • Erschienen: Januar 2012
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  • Leipzig: fhl, 2012, Titel: 'Jenseits der Dunkelheit', Seiten: 298, Originalsprache
Jenseits der Dunkelheit
Jenseits der Dunkelheit
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Wolfgang Franßen
721001

Belletristik-Couch Rezension vonDez 2012

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Sich einmal im Leben Zeit nehmen und einen Roman wachsen lassen, davon träumt jeder Hobbyautor. Nicht selten ist er davon überzeugt, dass die ganze Welt geradezu auf seine Geschichte wartet. Der Roman wird die Menschheit retten, die Leser unterhalten und uns alle veranlassen, zu uns selbst zu finden. Jeder geht natürlich gleich von einem Bestseller aus, der alle finanziellen Probleme löst. Nur wann sollen wir die Zeit dazu finden? Schließlich sind wir zu sehr in unseren Alltag eingespannt und kommen deswegen nicht zum Schreiben. Sonst stände der eigene Name ja längst auf den Bestsellerlisten, würden Leser säckeweise Briefe schreiben.

Karl Sandhauser ist Systemadministrator bei einer Bank also nicht das, was wir landläufig unter einem Künstler verstehen, und doch entwirft er einen genialen Plan, wie er sich Zeit in seinem Leben frei schaufeln will, um Raum für ein literarisches Werk zu schaffen. Zuhause ist das nämlich nicht möglich. Da hütet Viktoria die Familie und fühlt sich umgeben von einer Horde Hochbegabter. Karls Schreiben, das nimmt sie nicht so ganz ernst. Es gibt Wichtigeres im Leben. Karl kann das Schreiben doch auch als Hobby betreiben. Für einen Berufenen wie Karl, ist das natürlich kein Ausweg. 

Die 1952 in Sinzig geborene A.C. Schyboll verfällt nicht der Versuchung, einen leichthin gängigen Unterhaltungsroman zu schreiben, indem sie einen lustigen Einfall zu einem Roman aufbläht. Eher dürfen wir am Leben eines mittelmäßigen Bankers teilhaben, der sich vornimmt, endlich sein Leben in den Hand zu nehmen. Was liegt schließlich näher, als die eigene Bank zu berauben, die Familie abzusichern und selber im Gefängnis zu landen, um hinter verschlossenen Türen, abgeschottet von der Welt, nichts als schreiben zu können. Der Plan ist bis ins Kleinste durchdacht. Da kennt Karl sich immerhin aus und als Systemadministrator bringt er das notwendige Rüstzeug mit.

Nur geht das natürlich in bester Parker Tradition eines Gerry Dishers schief. Auch weil Karl nicht die kriminelle Energie mitbringt, der es nun mal für einen Bankraub bedarf. Karl Sandhauser landet nach einer satirischen Meisterleitung als Geständiger, dem keiner glauben will, in der Psychiatrie. Umgeben von Überspanntheit und Wahnsinn findet er die Muße, seine Seiten mit Sätzen zu füllen. Endlich ist er am Ziel. Doch seine Frau überzeugt alle davon, dass ihr Mann sich von seinem Burn Out am besten bei ihr Zuhause regeneriert und sicher auch wieder zur Bank gehen wird. Das Abenteuer ist noch nicht zu Ende.

Obwohl dieser Karl Sandhauser uns gleich sympathisch ist, weil er einen so törichten Versager gibt, dass er einem ans Herz wächst, spüren wir schon bald die manische Fixierung, das Ausblenden jeglicher Vernunft und erahnen, dass hier ein Mann dabei ist, sich selbst ins Abseits zu stellen. Ist es wirklich das Schreiben, das Karl durchdrehen lässt? Ist es nicht die Flucht vor sich selbst? Womöglich eine leicht übersteigerte Midlife Crisis?

Schyboll gibt ein atemberaubendes Tempo bei ihren Einfällen vor, wenn es geht den Slapstick zu steigern. Das ist mitunter kurzweilig, doch es steht im krassen Gegensatz zu den tieferen Einsichten über das Leben, die die Autorin ihren Lesern vermitteln will. Der Ausbruch aus der Enge geht nicht ohne tieferen Sinn vonstatten. Es bedarf wie bei Castaneda der Esoterik, um den Irrsinn zu untermauern, statt ihn für sich sprechen zu lassen. Da weht ein Hauch von Paolo Coelho durch den Roman.

Als Karl, aller Sinne beraubt, die Sängerin Lisanna entführt, unterwirft Schyboll "Jenseits der Dunkelheit" mit dem Auftreten von Miguel Angel einer Metaebene. Dem seelischen Zustand unserer Zeit will sie hilfreich begegnen und gerät in schweres Gewässer. Das überzeugt nicht wirklich.

Die deutsche Literatur leidet mitunter darunter, dass sie dem Absurden, dem Slapstick, dem überdrehten Humor nicht vertraut. Was, wenn das zwischen den Zeilen falsch verstanden oder gar nicht verstanden wird? Also lieber gleich noch eine Prise Philosophie untergemischt. Da gestattet sich die angelsächsische Literatur größere Freiheiten und ist bei weitem nicht so streng mit sich.

So melden sich bei Karl, wenn er gegen Ende des Romans mit den Fäusten in die Erde schlägt, innere Stimmen und sprechen zu ihm:

"Alles ist getan, weil alles erlebt wurde, was Wort werden wollte. Worte, die von lebendiger Erkenntnis in Weisheit münden. Erfahrung, die  zurückkehrt zum Licht. Du selbst bist nun ein lebendiges Wort... und es ist durch dich Mensch geworden."

Nun ja. Vielleicht besser doch nur schreiben.  Oder gleich wie in "Jenseits der Dunkelheit" verrückt bleiben. Ein über weite Strecken vergnüglicher Roman strandet so im Kaffeesatz. 

Jenseits der Dunkelheit

A.C. Schyboll, fhl

Jenseits der Dunkelheit

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