Ein bissiges, sartirisches und teilweise verstörendes Lesevergnügen
Mit seinem Roman "Wer ist wieder da" beweist Timur Vermes Mut. Denn es gehört definitiv Mut dazu, einen Hitler zu erschaffen, der so überzeugend und glaubhaft wirkt in dem, was er sagt, und dem man sich trotzdem nicht ganz entziehen kann, über den man lacht und MIT dem man sogar lacht.
Berlin, Sommer 2011: Adolf Hitler erwacht auf einem verlassenen Grundstück und ist zutiefst irritiert, denn er versteht erstens nicht, wie er dorthin gekommen ist, noch, was er hier soll. Schnell findet er heraus, dass er mal eben 66 Jahre später erwacht ist als er eingeschlafen ist, dass die Welt sich komplett verändert hat und dass sein Traum vom "Endsieg" sich nicht verwirklicht hat.
Mit Hilfe eines freundlichen Kioskbesitzers übersteht er die ersten paar Tage und findet schließlich sogar einen "Job": Eine Produktionsfirma nimmt ihn sozusagen als "Comedian" unter Vertrag und sorgt so für sein Auskommen.
Es ist schwer, sich der Geschichte zu entziehen, besonders auf den ersten 100-150 Seiten. Timur Vermes Hitler nimmt die Welt, in der er sich wieder findet und die ihm zunächst so fremd ist, kritisch unter die Lupe und analysiert so herrlich böse und treffend, dass man nicht anders kann, als über seine Gedankengänge zu lachen. Nachmittagsfernsehsendungen oder die Sprache, die Kleidung und die Gewohnheiten der heutigen Jugend z.B. sind zwei Themen, über die er sich Gedanken macht und zum Großteil muss man ihm einfach nur zustimmen. Doch oft genug bleibt einem beim Weiterlesen dann das Lachen im Hals stecken, denn es folgen Sätze, die sich wie ein Schlag in Magen anfühlen und einem kurzfristig die Luft zum Atmen nehmen, wenn einem wieder einfällt, wem Vermes da eigentlich die Worte in den Mund legt und einem klar wird, dass man doch tatsächlich Hitler zustimmen würde.
Nach ca. einem Drittel des Romans treten dann allerdings einige Längen auf, denn offenbar sind dem Autor zwischen drin die Ideen ausgegangen. Zumindest wirkt es so: Die Gedanken und Analysen von Hitler wiederholen sich in diversen Varianten, ebenso wie die Ausführungen zu seinen Plänen und Zielen und die Reaktionen seiner Umwelt. Das ist ermüdend und fordert vom Leser doch einiges an Durchhaltevermögen, um der Geschichte weiterhin zu folgen.
Zudem sind einige Dinge nicht ganz logisch, zum Beispiel, dass es gelingt, Hitler neue Papiere zu beschaffen, obwohl er keinerlei Dokumente besitzt und den Grund dafür auch nicht schlüssig begründen kann. Doch andererseits ist es Satire und genau das darf Satire, das kennzeichnet sie: Dinge zu übertreiben, sie auf die Spitze zu treiben.
Einzig die Tatsache, dass zunächst alle englischen Ausdrücke, die Hitler benutzt, so geschrieben werden, wie man sie spricht (z.B. "jutjube" statt "youtube"), im Verlauf dann allerdings die korrekte Schreibweise benutzt wird, ist irritierend. Später kann Hitler auch schwierige englische Worte korrekt aussprechen. Hier wäre mehr Konsequenz wünschenswert gewesen, so fragt man sich nämlich, warum das Ganze überhaupt angefangen wurde.
"Er ist wieder da" polarisiert, das sieht man den vielen unterschiedlichen Rezensionen und Reaktionen auf dieses Buch. Eine Kritik liest man öfter, nämlich, dass in dem Buch keiner diesen Hitler ernst nimmt und dass er, wenn er ernstgenommen werden würde, keine Chance hätte, jemals so weit zu kommen.
Es stimmt, dass in der Geschichte wirklich keiner glaubt, den echten Hitler vor sich zu sehen, und ihn alle für einen begnadeten Schauspieler halten und ihn somit keiner ernst nimmt. Doch genau darin liegt die Gefahr: In der Zeit vor dem Dritten Reich und dem Zweiten Weltkrieg wurde Hitler auch nicht ernst genommen, obwohl er seine Absichten und Überzeugungen in "Mein Kampf" deutlich gemacht hatte. Doch die meisten wollten nicht glauben, dass er wirklich so weit gehen würde und waren der Meinung, alles würde nicht so schlimm werden. Die Gang der Geschichte lehrt uns auf bittere Weise was andere.
Würde Hitler in "Er ist wieder da" ernst genommen werden, dann hätte er vermutlich tatsächlich keine Chance. Doch die Gefahr liegt genau darin, dass ihn eben keiner ernst nimmt, dass keiner widerspricht und sich keiner auflehnt, sondern dass die Parolen ungehindert verbreiten werden dürfen.
Was immer man auch von dem Buch halten mag, es sorgt für Gesprächs- und Diskussionsstoff, es hält das Thema Nationalsozialismus lebendig und sorgt dafür, dass sich zumindest ein gewisser Prozentsatz der Deutschen weiterhin bzw. erneut damit auseinandersetzt. Und auch wenn es Satire ist: Wenn es bei manchen dadurch das Thema wach hält und dafür sorgt, dass es nicht in Vergessen gerät, hat es seine Existenzberechtigung.
Deine Meinung zu »Er ist wieder da«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!