Baron Samstag oder das Leben nach dem Tod

  • Frankfurter: Frankfurter Verlagsanstalt, 2013, Titel: 'Baron Samstag oder das Leben nach dem Tod', Seiten: 256, Originalsprache
Baron Samstag oder das Leben nach dem Tod
Baron Samstag oder das Leben nach dem Tod
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Wolfgang Franßen
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Belletristik-Couch Rezension vonMär 2013

Wie viel müssen wir Ihnen bezahlen, damit Sie aufhören, Bücher über Haiti zu schreiben?

Mit der Bildbeschreibung zu Anfang des Romans, in der Hans-Christoph Buch ein Bild des Malers und Voodoo-Priesters André Pierre vom Totengott Baron Samedi alias Maitre Lacroix beschreibt, kehrt der Autor einmal mehr nach Haiti zurück. In ein Land, dass ihn schon immer fasziniert hat. Nach dem 1984 erschienen Roman "Die Hochzeit von Port-au-Prince", 1990 "Haitie Chérie", nach dem Romanessay "Tanzende Schatten oder Der Zombie bin ich" nun Teil Drei seiner Romantetralogie, die so vieles gleichzeitig ist. Zeitzeugnis wie Selbstauskunft, Spiel mit dem Mythos Haitis wie burleske Betrachtung der letzten Dinge.

Afrika und die Karibik sind die großen Themen dieses Autors. Ihn persönlich verbindet mit dem Land ein Großvater, der in Port-au-Prince als Apotheker gelebt hat, bis das Geschäft am Tag nach Pearl Harbor beschlagnahmt und viele Jahre später von den Tontons Macoutes verwüstet wurde. Der Roman setzt sich aus vielen Geschichten, aus Fakten und Erlebnissen zusammen, die Buch entweder persönlich erlebt oder davon erfahren hat. 

Buch macht sich selbst zum Gegenstand der Geschichte. Der Roman setzt sich aus drei Teilen zusammen. "Gott in Frankreich", jene Kapitel, die sich aus seiner Jugend im Kloster La Sainte Baume und den Erinnerungen an die Zeit mit der Ex-Frau bei Bouillabaisse und Couscous zusammensetzen. Dann "Haiti gibt es nicht" die Geschichte einer von politischen Verwüstungen und Naturkatastrophen heimgesuchten einstmals blühenden Insel. Schließlich "Das dritte Ufer des Flusses" jener in weiten Teilen burlesken Annäherung an den Tod, einhergehend mit der Auseinandersetzung mit Gott. 

Mitunter überfrachtet er die Geschichte mit schnell wechselnden Querverweisen auf die Prominenz eines Roman Polanski, eines Malaparte und führt Sybille Bedford durch den illustren Kreis der vor den Nazis geflüchteten Exilanten um Brecht, Feuchtwanger und Thomas Mann. Er brandmarkt Fehlentwicklungen auf Haiti. Wie das Trümmerbeseitigungsprogramm nach dem verheerenden Erdbeben von der Stärke 7.0 auf der Richterskala. Geißelt die Selbstgefälligkeit von Entwicklungshelfern und widmet sich den großen Themen des 20. Jahrhunderts. Das Kennedyattentat taucht auf, die Übertragung der Öllizenzen ausgerechnet an Lady Dianas Schwiegervater Mohamed al Fayed. Der Mauerbau und die Zustände am Grenzübergang Friedrichstraße dürfen auch nicht fehlen. Dies allerdings mit dem amüsanten Beigeschmack eines politisch Spätgeläuterten, als er der Verhaftung wegen eines in Marseilles ausgestellten Passes nur entgeht, weil er sich in den 60ern einmal für das Recht der DDR eingesetzt hat, ihren Staat zu schützen.

Es ist ein buntes Leben, das Hans-Christoph Buch vor uns ausbreitet. Ein Leben, in dem er sich erst nach der Scheidung so richtig mit seiner Ex-Frau Judith versteht. Ein Leben, das sogar einen Auftritt Graf Draculas als Diplomat und Entführer der Gioconda überlebt. Ein Leben, das sich kaum noch in Deutschland abspielt. Einem Land, in dem er sich durch einen Mausklick einem "Navigator" anvertraut und sich angesichts der präzisen Verkehrswarnungen wie ein Außerirdischer vorkommt. Vor allem ist es ein in den Tod abdriftendes Leben als erzählender Zombie.

Die Spirale ist laut Buch eine der Grundformen der Kunst und der Literatur auf Haiti. Er träumt von spiralförmigen Texten. "Baron Samstag oder das Leben nach dem Tod" ist der Versuch des Autors, zu erzählen, ohne den Leser einen autobiografischen Fluchtpunkt zu bieten. Und so überraschend wie Buchs Tod im Verlauf ist – er geht am Ende einer langen Reise zu sich selbst einfach verloren - ist auch das Ende, das nicht wie eines wirkt. Der Regen lässt uns mit seinen unleserlichen letzten Zeilen einfach zurück. 

Und ist das nicht die Sentenz der Spirale? War da was? Hat da einer gelebt? Erzähl mir eine Geschichte von ihm.

Baron Samstag oder das Leben nach dem Tod

Hans-Christoph Buch, Frankfurter Verlagsanstalt

Baron Samstag oder das Leben nach dem Tod

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