Unbewusste Momente zur Wende
Wie oft fragt man sich, was andere Personen veranlasst haben mag, gerade so und nicht anders zu handeln. Etwas zu tun, was man sich nicht erklären kann und was für einen selbst nicht nachvollziehbar ist. Wie oft wird vergessen, dass Situationen aus Sicht der agierenden Personen oft eine ganz andere Bedeutung haben und ihnen ihr eigenes Verhalten völlig selbstverständlich und logisch erscheint.
Susanne Schedels zweiter Roman greift genau an dieser Stelle ein. Sie widmet sich in ihrem Werk acht Personen und begleitet diese ein Kapitel lang über einen unterschiedlich langen Zeitraum. Die Figuren, die sich in Alter, Geschlecht und Lebenssituation unterscheiden, scheinen auf den ersten Blick kein besonders aufregendes oder erzählenswertes Leben zu führen. Eine begleitet ihren Freund beruflich in die USA, eine andere hat ihr Medizinstudium abgebrochen und ist nun Modestudentin, und wieder ein anderer verliert sich voll und ganz in der Wissenschaft.
Allen gemein ist: Sie stehen vor der Möglichkeit, ihr Leben mit nur kleinen Entscheidungen vollkommen zu verändern. Für Außenstehende eigentlich nicht wahrnehmbar, lässt einen Susanne Schedel die Verwandlungen und Verwicklungen, in denen ihre Protagonisten stecken, hautnah miterleben. Aus der Perspektive der jeweiligen Figur werden die Gedanken lebendig, Zweifel, Sehnsüchte, Ängste und Wünsche kommen ganz nah und geben dem Buch das Besondere.
Susanne Schedel ist nach ihrem Debütroman "Schattenträume" ein eindrucksvoller Roman gelungen. Die 1973 in Werneck geborene Autorin, die bereits mehrfach für ihr Schreiben ausgezeichnet wurde und unter anderem den Bayerischen Staatsförderpreis für Literatur erhielt, veröffentlicht regelmäßig Lyrik und Kurzprosa in Zeitschriften und Anthologien. Darüber hinaus schreibt die promovierte Literaturwissenschaftlerin journalistische Beiträge für Tageszeitungen.
Wie auch ihr erster Roman, besteht der zweite aus einer Sammlung von Erzählungen. Jede einzelne Geschichte steht für sich und steht in keinem direkten Zusammenhang mit den übrigen Texten. Und dennoch zieht sich ein roter Faden durch das komplette Werk: In jeder Episode rückt die Autorin eine Figur in den Mittelpunkt und begleitet sie auf einem entscheidenden Stück ihres Lebensweges. Einfühlsam und sensibel gewährt sie Einblicke in fremden Alltag.
An dieser Stelle zeigt sich das Gespür der Autorin für Menschen. Die Personen ihres Romans stehen an Wendepunkten, manchmal ohne sich dessen selbst bewusst zu sein. Manchmal einfach nur ratlos, wie es weitergehen soll. Anders als im normalen Leben werden innere Konflikte und Auseinandersetzungen miterlebbar, so dass die Figuren eine ganz neue Wirkung bekommen.
Genauso unvorbereitet und unmittelbar die Autorin ihre einzelnen Episoden beginnt, so abrupt enden sie auch. Die Zukunft der Protagonisten bleibt offen und das unbestimmte Ende lässt einen nachdenklich zurück.
Ein empfehlenswerter und facettenreicher Roman, der das Erzähltalent der Autorin widerspiegelt!
Deine Meinung zu »Wer soll denn das anziehen, bitteschön«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!