Orient-Express

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Peter Kümmel
701001

Belletristik-Couch Rezension vonMär 2013

100 Jahre zurück - und fast wie heute

John Dos Passos gilt als einer der großen Romanciers Amerikas. 1921 bereiste er den Orient und verfasste darüber einen beeindruckenden Reisebericht. Nun, 92 Jahre später erscheint sein Frühwerk im Verlag Nagel & Kimche zum ersten Mal in deutscher Sprache.

Der legendäre Orient-Express war schon oft Schauplatz legendärer Romane oder Filme. Doch John Dos Passos´ Reisebericht beinhaltet nicht das, was uns der Titel suggerieren mag, denn er beginnt erst dort richtig, wo der Luxuszug endete: in Istanbul.

25 Jahre alt war John Dos Passos zu Beginn seiner Reise und alles andere als unerfahren. Einen Weltkrieg hatte er bereits miterlebt, den er in Reportagen geschildert hat, zwei Romane hatte er bereits verfasst. Durch seinen Vater, einen wohlhabenden Rechtsanwalt, war er finanziell gut gestellt, so dass er es sich leisten konnte, die Welt zu sehen. Bereits als Jugendlicher war er mit seiner Mutter den Nil hinab gefahren.

Dos Passos´ Schreibweise ist zunächst sehr gewöhnungsbedürftig. Trotz kurzer Sätze benutzt er metapherbildende Adjektive wie z.B. "eine tragisch scharze Tür". Das aufstrebende Kino färbte deutlich ab. Große Abschnitte sind in einer Art Regieanweisung verfasst, beschreibend und kaum kommentierend, die den Leser als eine Art Zuschauer die Situation aus der Ferne betrachten lassen:

"An den Wänden einige schlichte Bilder in Schwarz und Weiß, ein Mann mit Hacke, ein Mann mit Schaufel, ein Mann mit Gewehr. Die Schatten sind so übertrieben, dass sie wie Lebkuchenmänner aussehen. Der Künstler hatte bestimmt noch nicht viele Figuren in seinem Leben gemalt. Das Theater ist ein langer Wellblechschuppen, früher ein Tingeltangel, die Zuschauer meist Arbeiter und Soldaten, in weißen Hemden mit geöffneten Kragen, die Frauen in weißen Musselinkleidern. Die Kinder, aber auch viele Männer, sind barfuß, und kaum eine Frau trägt Strümpfe. Sobald der Vorhang hochgeht, verstummen alle."

Durch den Kaukasus geht es nach Persien, von dort über den Irak mit einer Karawane nach Syrien. Der gesamte Orient befand sich nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reichs im Umbruch. Der Erste Weltkrieg war dort noch nicht wirklich beendet und der Kolonialismus durch die Großmächte bildete große Kontraste zur beeindruckenden Landschaft. 

Fast 100 Jahre alt ist Dos Passos' lesenswerter Reisebericht mittlerweile, doch vielem, was er beschreibt, merkt man diese Zeitspanne überhaupt nicht an. Es könnte genauso gut aus unserer Zeit stammen. Gleichzeitig sind seine Impressionen auch ein Zeitdokument für den Geschichtsunterricht, zeigen sie doch teilweise die Entstehung einer islamischen Welt auf, wie wir sie heute vor allem aus Nachrichtensendungen kennen.

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