Kein Paar wie wir
- Carl Hanser
- Erschienen: Januar 2013
- 1
- München: Carl Hanser, 2013, Seiten: 192, Originalsprache
Männer und Kinder wie Klötze am Bein
Kein Thema findet sich so oft zwischen zwei Buchdeckeln wieder, wie die Liebe. Scheinbar gibt es keine Konstellation, keine amouröse Verstrickung, die nicht schon irgendwer irgendwie zu Papier gebracht hat. Eberhard Rathgeb hat in seinem neuesten Roman "Kein Paar wie wir" dennoch eine Geschichte kreiert, die anders daher kommt. Nichts zu tun hat mit dem üblichen sehen, flirten, zusammen ins Bett gehen. Das Paar, das der 1959 in Buenos Aires geborene Autor zum Inhalt seiner Geschichte macht, kennt sich – bis auf wenige Jahre – schon ein Leben lang: Ruth und Viktoria, kurz Vika, sind Schwestern.
In wie weit die Nähe der beiden Schwestern – neben der geistigen – auch eine körperliche ist, spielt keine Rolle bei Rathgeb. Körperlich war sie zu Beginn, da die jüngere Vika in Kindertagen schwer erkrankte, der arbeitende Vater (er baut Brücken), nie zugegen und die Mutter überfordert war, lag es an Ruth, sich zu kümmern. Und das tat sie. Voller Hingabe. Die Mädchen bildeten eine Einheit, was die eine dachte, sprach die andere aus. Vika verdankt ihr Leben Ruth. Der hübscheren, älteren Schwester, die sie dann doch in Stich lies, um ein Leben fernab der Eltern in New York zu beginnen.
Rathgeb, der bereits mit vier Jahren nach Deutschland kam, verpasst den Eltern der Schwestern nicht einen Funken Sympathie. Im Gegenteil. Was sie ausüben ist psychische Gewalt: Durch nicht zugegen sein des Vaters und durch permanentes in sich zurück ziehen der Mutter, was sich nach der Flucht aus Nazi-Deutschland noch verstärkt. Noch vor der Machtergreifung Hitlers wandert die Familie nach Südamerika aus. Der Vater widmet sich weiterhin dem Bau von Brücken, blendet alles um sich herum aus, die Mutter stickt Insignien der Heimat und wird zunehmend depressiver.
Die Mädchen scheinen sich selbst überlassen, werden beim Alleinsein jedoch strengstens von der Mutter kontrolliert. Die Blase platzt, als Ruth – längst dreißigjährig – beschließt, in New York einen Neustart zu wagen. Ihre Schwester folgt ihr zwei Jahre später und für die jungen Frauen beginnen die besten Jahre ihres Lebens: Ohne Männer, wie sie sagen, ohne Kinder – nur mit sich selbst und glücklich.
Beide Frauen finden Arbeit, sprechen drei Sprachen fließend, verdienen Geld und reisen viel. Sie genießen das Leben in vollen Zügen - und sich selbst. Mehr bedarf es nicht, um glücklich zu sein. Sie laufen Hand in Hand durch den Central Park und scheren sich nicht um die Blicke der anderen.
Was Eberhard Rathgeb mit seinem Roman abliefert, scheint eine Art Tagebuch zu sein, das sich nicht immer an die Zeiten hält. Er springt vom Gestern, zum Vorgestern und ins Heute zurück. Immer verständlich, immer klar, weil die Handlungen, die den Erzählstrang durchkreuzen, gravierende sind, wie der Tod der Schwester etwa.
Die Schwestern rechnen ab, mit ihrer Vergangenheit, den ungeliebten Eltern, die sie letztendlich doch sieben lange Jahre bis zu deren Tod betreuen. Sie nehmen die Stärke aus ihrer Zweisamkeit, aus der für sie wichtigsten Liebe überhaupt. Männer und Kinder wäre wie Klötze am Bein und, "wie hätte uns ein Mann heiraten sollen."
Der Roman ist gespickt mit emanzipatorischen Phrasen, uralten zuweilen, wie sie einer Alice Schwarzer durchaus gefallen könnten. Aber - der Roman ist im Ansatz auch politisch. Macht der Autor doch Hitler zum Mitspieler und befasst sich mit der Militärdiktatur Argentiniens. Am Rande zwar nur, in Häppchen, aber Wegweisend für beide Frauen.
Alles was dem Autor an dieser Stelle auf das Negativkonto geschrieben werden muss, sind seine ewigen Wiederholungen. Selbst nach dem dritten Vermerk begreift auch der verschlafenste Leser, dass Ruth und Vika weder Männer noch Kinder brauchen und drei Sprachen fließend Sprechen. Zwar sind Wiederholungen ein gängiges Mittel, die einen Text interessant gestalten, aber es kann auch zuviel des Guten sein. Nach der zigsten Wiederholung einer Begebenheit zeugt es entweder von Mangel an Inhalt oder von aufkommender Langeweile – vielleicht beim Schreiber selbst, aber ganz gewiss beim Leser.
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