Hector zwischen Midlifecrisis und Neuorientierung
"Es war einmal ein Psychiater, der hieß Hector, und so richtig jung war er leider nicht mehr"
und obwohl die neueste Geschichte des Pariser Psychiaters Hector wie ein Märchen beginnt, fühlt sich Hector überhaupt nicht wie im Märchen. Zwischen Jugend und Alter, eigentlich in der Mitte des Lebens, beginnt er sich zu fragen, ob das jetzt schon alles gewesen sein kann. Plötzlich scheint ihm die Aussicht, bis zur Rente jeden Tag deprimierte Patienten in seiner Praxis zu empfangen und den Rest des Lebens ohne größere Abenteuer zu verbringen, alles andere als erfüllend.
Hector ist irgendwie unzufrieden. Die Kinder sind groß, seine Frau Clara geht zu sehr in ihrem Beruf auf und die Arbeit in der Praxis langweilt ihn. Er ist genervt und als er bei einer Einladung die Beherrschung verliert, stellt sich für ihn die Frage: Leide ich unter der oft genannten Midlife-Crisis? Er beschließt seinen Freund und Kollegen, den alten François, zu konsultieren. Seine Therapieansätze sind jedoch alles andere als konventionell: Bei einem Gläschen guten Wein gehen sie Hectors Problemen auf den Grund - und ganz zufällig natürlich stellt der alte François Hector seine zauberhafte Enkelin Ophélie vor. Kein Wunder, dass seine Frau Clara ihre ganz eigene Midlife-Crisis entwickelt und einen Auftrag in New York annimmt. Ein Abschied nur auf Zeit? Hector stürzt sich in die Arbeit mit seinen Patienten, die sich allesamt mit demselben Problem herumzuschlagen scheinen. Und dann ist da ja auch noch Ophélie, die Hector den Kopf verdreht.
François Lelord, geboren 1953, studierte Medizin und Psychologie und wurde Psychiater. Inzwischen hat er seine Praxis geschlossen, war zwischenzeitig als Berater in Unternehmen tätig und arbeitete als Psychiater in Krankenhäusern in Vietnam. Hector fängt ein neues Leben an, ist der siebte Band seiner erfolgreichen Reihe um den Psychiater, der sich in seinen Geschichten mit verschiedenen Fragen des Lebens auseinandersetzt. Lelord lebt in Paris und Bangkok.
Auch in seinem neuesten Abenteuer befindet sich Hector einmal mehr auf der Suche. Nachdem er sich bereits mit Glück, Freundschaft, Liebe und Zeit auseinandergesetzt hat, ist es dieses Mal eine große Unzufriedenheit, die ihn beschäftigt und die er sich selbst nicht erklären kann. Vielleicht hat es auch mit seinen Patienten zu tun, die alle ein neues Leben anfangen und sich neu ausprobieren wollen? Wer weiß. Zumindest ist Hector alles andere als abgeneigt, als sich Ophélie, eine gut aussehende junge Frau, für ihn, den doch deutlich älteren Mann zu interessieren scheint. Eigentlich liebt er aber Clara und hatte nicht vor, seine große Liebe für eine Affäre aufs Spiel zu setzen.
Wie auch in seinen vorherigen Romanen um den Psychiater Hector, rückt François Lelord in seinem neuesten Werk eine der großen existenziellen Fragen des Lebens in den Mittelpunkt: Die der Lebensmitte. Dabei betrachtet er sowohl das Phänomen der Midlifecrisis als auch die Möglichkeiten, die sich durch Neuorientierungen ergeben würden. Wie schon in seinen vorherigen Abenteuern notiert Hector seine Erkenntnisse in kurzen Merksätzen, die das Thema nicht nur für Hector, sondern auch für den Leser prägnant und mit einem Augenzwinkern auf den Punkt bringen:
"Übertreiben Sie es nicht mit Ihrem Scharfblick; ein wenig Verleugnung hilft beim Leben – oder besser noch, wenn Sie das hinbekommen, ein wenig Unterdrückung."
"Wenn Sie ihre Träume wahr machen wollen, sollten Sie das mit dem allergrößten Ernst tun."
Auch sprachlich bleibt sich der französische Autor in seinem neuesten Werk treu. Mit naiver Leichtigkeit lässt er Hector über existenzielle Fragen philosophieren, ohne dabei jedoch ins Belanglose zu geraten. Vielmehr ermöglicht seine Art und Weise der Betrachtung, eine vollkommen andere Annäherung an ernste Themen. Eine, die unterhält und für den Fall der Fälle, dass einen ähnliche Fragen beschäftigen, auch Hoffnung macht.
Alles in allem ist Hector fängt ein neues Leben an ein lesenswerter Roman, der sich nahtlos in die Reihe seiner Vorgängerromane einreiht. Da sich ein Großteil des Buches mit Alter, Midlifecrisis und der Frage, ob das schon alles gewesen sein kann beschäftigt, ist das Buch eventuell jedoch nicht für alle Altersgruppen gleichermaßen interessant, was als kleiner Nachteil gesehen werden kann. Ein gelungener Roman für Hector-Fans und für alle, die sich vielleicht auch die Frage stellen, "war das schon alles?".
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