Der Himmel um all das herum
Der Himmel um all das herum / ist die höchste Erfindung, ein Leben, / das da ist und für immer // dahin.
Cees Nooteboom fängt in seinen Gedichten Momente und Beobachtungen ein: eine Tasse Kaffee, eine Fotografie, ein sitzender Mann. Diese kurzen Augenblicke lassen ihn über die Vergänglichkeit aller Dinge sinnieren. Er widmet sich dem Da-Sein, der Ewigkeit im Augenblick. Zu existieren und zu sein, niemand und alle und nirgends und überall. Über banale Gegenstände schreibt er und gleichzeitig über das Vergessen, Trauer und Tod – den eigenen, aber auch den von befreundeten Künstlern (z.B. Hugo Claus). Der Tod hinterlässt die meisten Menschen sprachlos, nicht aber Cees Nooteboom, er steigt darüber hinweg, geht einen Schritt weiter.
Der Autor verhandelt Themen, die alle etwas angehen (müssen), und das auf eine mehrschichtige, bildhaft-schöne Art. Er sucht nach Bestehen trotz Vergänglichkeit, dem Darüber-Hinaus. Dabei spielt er mit der Rolle des Dichters, seinen Möglichkeiten. Die Kraft und Macht der Worte, die Kurzlebigkeit und Illusion der Dauer derselben, denn er weiß:
"hierher kommt kein Wort mehr, / das wahr ist"
und doch zerbricht dieses Zweifeln gleich:
"und doch das Gedicht"
Was sitzt nun da: ein Mann oder ein Gedicht?
Sein Werk durchkreuzt das anderer Künstler, so fallen Namen wie Hugo Claus, Walter Benjamin, Lucebert, Apollinaire u.W. Nooteboom referiert auf die griechische Mythologie, auf Götter, fernöstliche Politik und zeugt von weitreichender Lebenserfahrung und Weltkenntnis. "Heimweh wirkt anders", gesteht er und bastelt Eindrücke und tägliche Notizen, die er auf seinen Reisen machte, zusammen. Diese unmittelbaren Erfahrungen sind spürbar, weise und facettenreich strotzen die Gedichte vor Querverweisen, Bildern und Referenzen. Bereits der Titel kündigt diese Weitsicht, diese Suche in der Ferne an. Licht überall – zu erblicken gibt es vieles, es scheint einem nahezu entgegen, man muss nur hinsehen.
Der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom wurde im Laufe seiner bisherigen Karriere mit mehreren Preisen, Auszeichnungen und zwei Ehrendoktoraten ausgezeichnet. Er hat bereits mehrere Romane, Reiseberichte und Novellen verfasst – aber vor allem Gedichte.
Wie ein roter Faden zieht sich diese Stärke durch seinen bisherigen schriftstellerischen Werdegang und äußert sich in dem vorliegenden Gedichtband Licht überall, der 47 Gedichte der letzten 10 Jahre unter vier Titeln vereint. Seine Werke wurden bereits in mehr als 15 Sprachen übersetzt. Licht überall ist 2013 im Suhrkamp Verlag erschienen und wurde vom Lektoren und Dichter Ard Posthuma aus dem Niederländischen übersetzt. Es ist eine sehr gelungene Übersetzung, die die Wortmalereien des Autors und die Poesie der Gedichte erhält.
Die Gesetze von nie wieder jetzt
Mit seiner unmittelbaren Dichtung entwirft der Dichter eine Lebensphilosophie, die thematisch zwar traurig anklingt, aber dennoch vor Klarheit und Optimismus strotzt: Es ist kein Grübeln, sondern ein methodisches Nachdenken über Geheimnisse und die Tiefen des Mensch-Seins in seiner Psyche; ein wahrhaftes Philosophieren, das trotz bildhafter Sprache klar verständlich bleibt. So vermittelt er ganz konkret seine Auseinandersetzungen und Schlüsse.
Die Schwere der Thematik ist durchgehend spürbar, und doch gehen sie Gedichte klar und schön daher wie ein Bild, das anhand weniger Striche, Worte eingefangen wird und die Leerräume doch sinnstiftend sind. Nooteboom malt. Seine geschwungene Sprache ist und bleibt sein Markenzeichen, dezent gesetzte Akzente, subtile Referenzen, Stilmittel, omnipräsent aber diskret. Schlicht und schön, leicht zu lesen und wunderbar zum Vorlesen. Bleibt zu hoffen, dass Cees Nooteboom weiter schreiben wird; auf eben diese Art – und dass er noch weitere Weisheiten einstreuen wird. Mit seinen 80 Jahren ist er nämlich noch lange nicht zu alt fürs Dichten.
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