Bist du noch wach?
- Berlin Verlag
- Erschienen: Januar 2013
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- Berlin: Berlin Verlag, 2013, Seiten: 256, Originalsprache
Ein langsamer Abschied, der umso mehr schmerzt
Kein großer Streit, keine Beschimpfungen, Verletzungen oder Beleidigungen. Kein großer Knall, sondern ein langsamer, schleichender Prozess ohne klaren Anfang und ohne ersichtliches Ende. Ein Auseinanderleben, fast unbemerkt, ganz heimlich, still und leise. Wenn es bemerkt wird, ist es schon zu spät und das Ende umso schmerzhafter, da keine Trauer, kein Abschied, kein langsames voneinander lösen stattfinden konnte. Kein Raum da war, sich langsam an die neue Situation zu gewöhnen. So fühlt es sich für Rea an, die dabei ist ihren besten Freund, Mitbewohner und engsten Vertrauten - Konrad - zu verlieren. Oder hat sie ihn vielleicht längst schon verloren?
Rea ist Ende zwanzig, lebt mit ihren zwei Mitbewohnern Konrad und Pelle und einer immer hungrigen und daher permanent laut schreienden Katze in einer Berliner WG. Sie hat wechselnde Beziehungen, in denen ihr immer irgendetwas fehlt und die schließlich auch daran scheitern. Rea arbeitet in einer Agentur und ist mit ihrem Job eigentlich ganz zufrieden. Und doch fehlt ihr etwas, fühlt sie sich an einem Punkt angekommen, an dem es irgendwie anders weitergehen muss, als müsste jetzt der nächste Schritt folgen. Nur welcher? Sie hat das Gefühl, alles Aufregende bereits erlebt zu haben und alles von und in Berlin zu kennen. Und dann das: Konrad, mit dem sie immer über alles reden konnte, der immer für sie da war, hat seinen weiteren Weg scheinbar schon geplant und hat nach all den gemeinsamen Jahren plötzlich eine Freundin und keine Zeit mehr für Rea. Rea erträgt ihre Anwesenheit in der Wohnung nicht, vermisst es, Konrad zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichen zu können und flüchtet. Sie fährt mit Arbeitskolleginnen in den Urlaub, doch auch dort kann sie der Situation nicht entkommen.
Elisabeth Rank, geboren 1984 in Berlin, ist Schriftstellerin und Publizistin. Nach ihrem Studium der Publizistik, Kommunikationswissenschaft und Europäischen Ethnologie veröffentlichte sie Texte bei verschiedenen Internetplattformen, Social-Media-Plattformen und ihrem Blog und wurde durch ihren Debütroman Im Zweifel für dich selbst auch außerhalb des Internets bekannt. Sie lebt als freie Autorin und Mitarbeiterin einer Agentur für digitale Markenführung in Berlin, Bist du noch wach? ist ihr zweiter Roman.
Elisabeth Ranks Roman behandelt ein Thema, welches in der heutigen Zeit wahrscheinlich immer mehr Menschen betreffen wird. Das Gefühl, das etwas fehlt, dass das Leben nichts Neues mehr zu bieten hat und ein neuer Schritt folgen muss. Nur wohin, in welche Richtung soll das Leben gehen? Wie sehen die eigenen Lebenspläne aus und was soll erreicht werden? An dieser Stelle steht Ranks Protagonistin Rea. Bisher lief ihr Leben einfach so weiter, alles passte ganz gut zusammen: Die WG, die Freunde, der Job, die Familie. Doch nach und nach gerät ein Bereich nach dem anderen ins Wanken. Ihr Vater liegt sterbenskrank im Krankenhaus, das Verhältnis zu ihrer Mutter ist kompliziert, und vor allem das Leben in der WG wird zur Qual, seit Konrad eine feste Freundin hat. Rea ist eifersüchtig und fühlt eine große Einsamkeit, seit er kaum noch für sie da ist. Jetzt erst spürt sie, wie wichtig er ihr in all den Jahren war. Ohne es zu merken, in einem langsamen Prozess entfernen sie sich immer weiter voneinander, bis es kaum noch etwas zwischen ihnen zu sagen gibt.
Rank erzählt feinfühlig und sensibel von Einsamkeit, vom Loslassen und Neuorientierung. Aus der Perspektive Reas gelingt es ihr, die Gedanken und Gefühle nah, direkt und ungefiltert auf den Leser wirken zu lassen, so dass eine große Nähe zur Figur entsteht. Trauer, Angst und Verzweiflung werden spürbar und lassen den Leser Anteil an Reas Lage nehmen.
Sprachlich überzeugt der Roman durch eine beinahe poetische Art mit kurzen, präzisen Sätzen. Auf diese Weise spiegelt sich die Stimmung des Romans auch im Ausdruck wieder, was die Seelenlage Reas atmosphärisch unterstützt. Stellenweise kommt es dadurch jedoch auch zu Passagen, in denen ein paar Worte mehr von Vorteil gewesen wären, um die Handlung direkt zu verstehen.
Alles in allem ein gelungenes Buch, in dem die Autorin zeigt, wie sich Stil und Inhalt gekonnt miteinander verbinden lassen und Sprache der Handlung die passende Leseatmosphäre gibt. Elisabeth Ranks Werk gewährt einfühlsame Einblicke in das Leben und die Gefühle Reas ohne sentimental oder kitschig zu werden und ist dabei dennoch berührend. Ein empfehlenswerter Roman.
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