Fragen Sie nach Fritz

  • Berlin: Berlin University Press, 2013, Seiten: 116, Originalsprache
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Kathrin Plett
751001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2013

Und am Ende doch immer anders als gedacht

Was geht in einer Frau vor, die sich gerade noch rechtzeitig aus ihrem im Fluss versinkenden Auto befreien konnte? Was bewegt eine junge Frau dazu, sich mit dem Vater ihrer früheren Freundin zu treffen, der seine Familie damals Hals über Kopf im Stich gelassen hat? Wie reagiert ein Sohn, der sich Sorgen um die Gesundheit seines Vaters macht und diesen dann in eindeutiger Pose mit dem jungen Kofferträger findet?

Kurze Momente, die dem Leben eine Wendung geben können. Kleine Entscheidungen, die große Auswirkungen auf den weiteren Verlauf des Lebens haben. Ungewöhnliche Situationen, manchmal aber auch einfach nur spießiger Alltag, der zu einem Schlüsselerlebnis führt. Ganz verschiedene Ereignisse sind es, denen sich Husch Josten in ihrem neuesten Roman widmet und die so ganz anders ablaufen, als es normalerweise anzunehmen ist.

Geschichten, die hinter den offensichtlichen Geschichten stehen sind es, die Josten in Fragen Sie nach Fritz beschreibt. Alles hat einen anderen Grund, nichts ist so, wie es zunächst erscheint und nach außen wirkt. In neun kurzen Erzählungen zeigt die Autorin, dass es sich lohnt, hinter die Kulissen zu schauen und sich für die Beweggründe hinter den Handlungen der Mitmenschen zu interessieren. Auch, wenn diese vielleicht nicht so bunt und verschieden sind wie ihre Protagonisten, zeigt sie, dass das Leben immer voller Überraschungen steckt. Vor allem da, wo man sie nicht erwartet.

Husch Josten, Jahrgang 1969, studierte Staatsrecht in ihrer Geburtsstadt Köln sowie in Paris. Nachdem sie in beiden Städten volontiert und als Journalistin gearbeitet hat, zog sie Mitte der 2000er Jahre nach London, wo sie als Autorin für Tageszeitungen und Magazine tätig war. Dort entstand auch ihr Debütroman In Sachen Joseph. Fragen Sie nach Fritz ist der dritte Roman der inzwischen wieder in Köln lebenden Autorin.

 Husch Jostens neuestes Werk ist eine Sammlung von ungewöhnlichen und verblüffenden Erzählungen, die vor allem eins gemeinsam haben: Die Geschichten enden anders, als man denkt. Die Kölnerin beschäftigt sich dabei mit scheinbar alltäglichen Situationen, die durch plötzliche Entwicklungen, Verwicklungen und Ereignisse eine unerwartete Wendung erfahren. Vor allem die Personen, die nach außen langweilig erscheinen, sind es, über die sie schreibt und die sie interessant findet, wie sie treffend in einer ihrer Texte erklärt:

 

"Geschichten sind immer nur Ausschnitte, nicht wahr? Was ist mit all jenen, die nach ihrem Gastspiel nicht mehr darin vorkommen? Stellen Sie sich vor, wie viele Randfiguren durchs Leben rennen – Gestalten, die am Ende im Kassenhaus eines Vergnügungsparks sitzen und mit ihrem Leben abgeschlossen haben, Gestalten, die eine Hauptrolle verdient hätten."

 

Mit sprachlicher Präzision, knapp und ohne viele Worte zu verlieren, geht sie auf ihre Figuren ein, wobei es ihr gelingt, sie auf nur wenigen Seiten zu lebendigen Charakteren werden zu lassen. Zunächst verrät Josten nur wenig über ihre Protagonisten, sie präsentiert ihren Lesern eine Situation, die erst nach und nach zu einer vollständigen Kulisse mit Handlung gefüllt wird. Auf diese Weise gelingt es ihr, die Phantasie des Lesers zu animieren, sich selbst Gedanken über die Leerstellen zu machen, weiterzudenken und plausible Ideen für den Ausgang der Story zu entwickeln, um am Ende alles auf den Kopf zu stellen. So einfach ist es bei Josten nicht, dass alles seinen geregelten Gang geht. Sie zeigt einmal mehr, dass das Leben nicht vorhersehbar ist und macht dabei deutlich, wie schnell es zu voreiligen Schlüssen kommen kann.

Alles in allem ist Husch Jostens neuestes Werk ein interessanter Band voller ungewöhnlicher und überraschender Geschichten.

 

"Dein Problem ist, dass du seelisch gesund bist"

 

ist der Beginn der Erzählung "Normal". Dabei wäre anzunehmen, das gerade seelische Gesundheit alles andere als ein Problem darstellen sollte und wer ist nicht gespannt auf eine Geschichte, die mit folgendem Satz beginnt:

 

"Dass es für alles ein letztes Mal gab, bemerkte Astrid zum ersten Mal mit acht."

 

Auch wenn die Erzählungen kurz sind, lohnt es sich, sich für die einzelnen Texte Zeit zu nehmen, um sie vollständig auf sich einwirken lassen zu können. Jostens Buch ist unterhaltsam und witzig, teilweise nachdenklich und traurig und beinhaltet eine bunte Mischung an außergewöhnlichen Blickwinkeln, aufmerksamen Beobachtungen sowie Ironie und zeigt das besondere Gespür der Autorin für sonst schnell übersehene Momente.

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