Cabo de Gata

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2013
  • 2
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2013, Seiten: 220, Originalsprache
Cabo de Gata
Cabo de Gata
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Sebastian Riemann
601001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2013

Flucht nach vorne, ohne Gepäck

Nach seinem erfolgreichen Romandebüt präsentiert sich Eugen Ruge mit einer Novelle, die in vielerlei Hinsicht überrascht. Gewohnt locker nimmt man die Sprache Ruges auf, fliegt nur so über die Seiten und saugt die träge Schwere auf, die der Protagonist beständig verströmt, während er etwas Unauffindbares sucht. Enttäuschung wäre der Grundtenor, wenn die Ödnis nicht derartig erdrückend wäre, dass sie jedwede Empfindung niederzwingt.

Der erste Teil des Buches beschreibt eine Situation, die nicht neu ist und nicht mit Originalität glänzen kann. Der Protagonist betrachtet sein Leben in Berlin und entschließt sich alle Zelte abzubrechen. Das Treiben in einem Café im Prenzlauer Berg wird als der Moment konstatiert, der ihm die Bedeutungslosigkeit seines Daseins offenbart. Was Ruge in dieser Situation an Kreativität fehlen lässt wird umso mehr durch seinen bestechend lockeren und ehrlichen Stil wettgemacht. Die Sprache im Buch, besonders im ersten Teil, überwindet zu großen Teilen die Formalität einer klassischen Romansprache, wendet sich vielmehr dem Alltäglichen zu und vermag beides zu tun ohne schludrig oder plump zu wirken. Berliner Klischees tauchen auf, aber die zu erwartende Oberflächlichkeit verbleibt nicht, sondern weicht einer Nähe und Komik, die die Lektüre zum Vergnügen macht. Und so liest man leicht und beschwingt wie der Protagonist sich anschickt die Stadt zu verlassen, um in Südeuropa an einem Buch zu schreiben. Er sieht seine Ex-Freundin noch einmal und verbringt Zeit mit dem Vater. Beide Charaktere wirken authentisch und vor allem lebendiger als der Protagonist.

Seine Reise geht über Barcelona, eine Stadt, die der Autor nun nicht mehr mit der Finesse beschreiben kann, wie er es zuvor mit Berlin tat. Die Eindrücke bleiben sehr einfach, der Ort wird so erlebt, wie er im schlechten Reiseführer beschrieben ist. Der vermeintliche Schriftsteller reist nach einem Tag ab und macht sich auf in Richtung Cabo de Gata, dem letzten Paradies Europas. Er will sich selbst finden und trifft auf einen Ort, der in Ödnis ertrinkt. Die innere Leere des Sinnsuchenden findet seine Entsprechung in dem kleinen Küstenort, der mit Ereignislosigkeit und Meschenarmut glänzt. Es passiert nichts, der Ort ist nahezu vollständig ausgestorben. Die wenigen Ortsansässigen mit denen der Protagonist Kontakt hat sind äußerst wortkarg und lassen ihn in seinem Sud aus Bedeutungslosigkeit und Routine weich kochen.

Das literarische Projekt des Aussteigers ist zum Scheitern verurteilt. Nichts trägt er in sich, nichts findet er am erwählten Ort. Die spärlichen Notizen, die er zustande bringt, vernichtet er und findet sich stets vor gähnender Leere wieder. Er hatte Cabo de Gata aufgrund des warmen Klimas gewählt und da sein gesamtes Vorhaben konsequent scheitert wenden sich sogar die Kräfte der Natur gegen ihn, an diesem vermeintlich warmen Ort friert er beständig. Die Teile zwei und drei des Buches sind eine Zumutung für den Leser, da sie sich ernsthaft der Ödnis widmen, es gibt keine Handlungsstränge, keine nennenswerten Charaktere. Der Möchtegern-Schriftsteller führt ein monotones, routiniertes, wortkarges Dasein und alle Ereignisse in Cabo bleiben belanglos, bringen keine Veränderung in sein Leben und bleiben ohne Folgen. Das träge Nichts schleicht sich langsam in den Leser ein, der sich fragt, wann dem Ganzen ein Ende gesetzt wird und eine Umwälzung stattfindet. Kurz erblüht noch ein letztes Mal Hoffnung als man den Verdacht schöpft der erfolglose Schriftsteller wird blödsinnig, kann sich selbst und Cabo de Gata nicht mehr ertragen. Doch nein, er bleibt bei Verstand und die Herrschaft der Ödnis bricht nicht ab.

Die Sinnsuche des Protagonisten war nie als solche angelegt, sie war nur der Selbstbetrug eines Charakters, der eine Heimat für seine innere Leere suchte. Warum der Leser ihm auf diese Reise folgen sollte bleibt dahingestellt. Das Buch ist mit Staub und Lebensarmut gefüllt. Freunde der Unterhaltung müssen also acht geben, dass sie im Roman nicht die Dinge ohne Beachtung lassen, die unbemerkt am Protagonist vorbeizogen, denn einige wenige minimalistische Handlungseruptionen sind Alles, was geboten wird. Es überrascht nicht, dass der angehende Schriftsteller eine Welt sucht, die in sich ruht, still steht, nichts Neues hervorbringt und keinerlei Wandel birgt. Er meint, dass nur in solchem Ambiente sein Schreiben wie aus einem ruhenden Meer auftauchen und sich präsentieren kann. Allerdings ist es in Cabo de Gata so kalt, dass jenes Meer Gefahr läuft, zu gefrieren und Ruge bietet keine Axt, um es aufzubrechen.

Cabo de Gata

Eugen Ruge, Rowohlt

Cabo de Gata

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