Mittelalt, mittelschlank, mittelhübsch – unter Mittelmaß
Susanne Fröhlichs Bücher sind ein Phänomen. Irgendwie. Dabei verhält es sich mit ihren Werken ähnlich wie mit der BILD-Zeitung: Keiner liest sie. Fröhlichs Auflagenzahlen, und die der BILD auch, widerlegen jedoch die Vermutung, dass beide Druckerzeugnisse nicht begeistern. Lackschaden, einer der Romane um die mittelalte Hausfrau und Mutter Andrea Schnidt, ist bereits in sechster Auflage erschienen. Und es geht weiter. Bestimmt sogar. Wäre es möglich, in einem online-Magazin ein Buch direkt in die Mülltonne zu werfen, ähnlich wie Moderator Denis Scheck bei "Druckfrisch" verfährt, jetzt wäre es an der Zeit dazu!
Zurück zu dem einen Buch Lackschaden. Ihm gingen Bücher mit gleicher Protagonistin und Titeln wie Lieblingsstücke und Treuepunkte voraus. Es steht zu befürchten, dass, wenn man eines gelesen hat, alle kennt. Da ist also Andrea Schnidt. Zwei Kinder hat sie, Claudia, mitten in der Pubertät, Mark wohl am Anfang. Ehemann Christoph tauscht das eheliche Doppelbett gegen den Golfplatz ein, Schwiegervater Rudi (die sympathischste Figur in der gesamten Geschichte) ist gemeinsam mit dem altersschwachen Hündchen bei den Schnidts eingezogen, weil vor wenigen Wochen erst seine Frau gestorben ist. Plötzlich und unerwartet.
Allein die Konstellation, zwei pubertierende Kinder, desinteressierter Ehemann, und der mitzuversorgende Schwiegervater lassen ahnen, wie sich die Geschichte zusammen setzt. Hinzu kommt Andreas Seelenleben, das sich im Dauerkrieg gegen sich selbst und den Rest der Familie zu befinden scheint. Andreas Sorgen sind folgende: Zunehmende Konfektionsgrößen gepaart mit zunehmenden Hunger und Bikinis die immer kleiner zu werden scheinen. Hormone die Rumba tanzen, durchschwitzte Nächte, Stimmungsschwankungen, Mangel an entgegengebrachtem Interesse seitens der Familie, mangelndes Interesse des Ehemannes, was einher geht mit fehlendem Sex. Kinder, die nur noch die nötigsten Konversation wie "ja", "nein", "vielleicht" betreiben. Und überhaupt, das Leben stellt sich mit aller Kraft gegen Andrea und Andrea ist nicht in der Lage, etwas dagegen zu tun. Doch: Essen!
Susanne Fröhlich hat durchaus Humor, wenngleich er auch an mancher Stelle gequält klingt, aber warum nur, sind ihre Bücher von der ersten Seite an durchschaubar? Sicher gibt es Frauen wie Andrea, sicher ist nach 20 Ehejahren ein wenig der Lack ab und die Lust weg, aber warum bitte schön verlaufen Fröhlichs Protagonisten-Leben immer nach Schema F, oder sollte es Schema Fröhlich heißen?
Auch Charlotte Roche (Feuchtgebiete) und Caitlin Moran (How to be a woman) befassen sich mit dem Hausfrau- und Mutterdasein – und sicher, nicht jeder liebt diese beiden Bücher – aber sie sind, das muss man ihnen zugestehen, originell und zeugen von Witz. Bei Susanne Fröhlich hingegen plätschert es seicht dahin. Rollt mal eine Welle der Regungen an, flacht sie so gleich wieder ab. Wie in den Szenen etwa, wenn Herr Reimer, Trainer des Sohnes, das Geschehen betritt. Galant, gut aussehend, witzig. Aber nichts geschieht. Wer Andrea eine wilde Liaison mit Herr Reimer wünscht, muss sich mit ein paar Kurznachrichten via Handy zufrieden geben. Mehr geht nicht. Mehr gibt’s nicht. Etwas mehr Roche, etwas mehr Moran wären so schön an dieser Stelle. Wie gesagt, etwas davon!
Das Vokabular passt sich der trägen Geschichte an. Fröhlich ertrinkt in Floskeln, solchen zuweilen, die tausend Mal gehört die Zähigkeit auf die Spitze treiben. Von einem "abgefahrenen Abend" ist die Rede, von "gestern noch die feiste Pizza reingehauen", von "ohne so durchgebraten wie ein Dieter Bohlen zu sein", "wie verrückt ist das denn", megaekelig, geil, supi. So ist der beste Satz der letzte:
"Ich habe Deine Nerven fast ruiniert, liebe Silke. Danke für Deine Geduld"
teilt Fröhlich eben jener Silke nach 281 Seiten mit. Und die Nerven so manchen Lesers sicherlich auch.
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