Tanz auf Glas
- Droemer Knaur
- Erschienen: Januar 2013
- 2
- New York: Gallery Books, 2012, Titel: 'Dancing on broken glass', Originalsprache
- München: Droemer Knaur, 2013, Seiten: 528, Übersetzt: Katharina Volk
Auf dünnem Eis außer Balance
"Jede Liebe ist ein Tanz – manchmal kompliziert, manchmal wunderschön. Aber mit Mickey wird es ein Tanz auf Glasscherben sein. Und entweder fliehst du vor diesem Schmerz, oder du tanzt weiter, bis du wieder Parkett unter den Füßen spürst."
Mit diesen Worten beschreibt Lucy ihre Liebe zu Mickey. Eine Liebe, die nicht nur einmal hart auf die Probe gestellt wird, denn Mickey und Lucy tragen beide ein schweres Erbe mit sich. In Lucys Familie hat der Krebs einen Großteil ihrer weiblichen Verwandtschaft sterben lassen und auch sie und ihre Schwester leben mit der ständigen Angst, nach der nächsten Vorsorgeuntersuchung selber die schreckliche Diagnose zu erhalten. Mickey hingegen leidet seit seinem zwölften Lebensjahr unter der selben Krankheit, die auch seine Mutter schließlich umgebracht hat. Er ist manisch-depressiv, hat eine bipolare affektive Störung. Ihre Beziehung gleicht einem Drahtseilakt, das ist beiden klar und dennoch ist ihre Liebe so stark, dass ihnen ein Leben ohne den anderen unvorstellbar erscheint.
Als die erst 21-jährige Lucy den acht Jahre älteren Mickey auf einer Party kennenlernt, ist es für beide Liebe auf den ersten Blick. Doch obwohl Lucy ihm ihre Nummer gibt, muss sie vergeblich darauf warten, dass er sich bei ihr meldet. Als sie sich dann zufällig ein zweites Mal begegnen, erzählt Mickey, dass er manisch-depressiv ist und sein Leben trotz zahlreicher Medikamente in einem ständigen auf und ab verläuft. Dennoch lässt Lucy lässt sich nicht von seiner Geschichte abschrecken, so dass beide ein Paar werden und schließlich heiraten. Aber auch Lucy trägt gefährliche Gene in sich. Wie ihre Schwestern muss sie mit der ständigen Angst leben, dass der Brustkrebs, an dem Mutter und Großmutter erkrankten und starben, irgendwann auch sie treffen kann. Für beide ist klar, dass sie es nicht verantworten wollen, Kinder zu bekommen, die das selbe Schicksal teilen könnten. Als Lucy ungeplant doch schwanger wird, gerät das Fundament ihrer Ehe ins Wanken.
Ka Hancock, geboren in Utah, ist Krankenschwester und hat sich auf den Bereich der Psychiatrie spezialisiert. Sie hat vier erwachsene Kinder und lebt mit ihrem Mann in Salt Lake City.
Mit Tanz auf Glas ist Ka Hancock ein gleichsam informativer wie berührender Roman gelungen, der mehr ist als die Geschichte einer großen Liebe. Denn Lucy und Mickey, ihre Protagonisten, tragen beide ein schweres Los mit sich. Vor allem Mickeys Krankheit, er leidet unter einer bipolaren affektiven Störung, kann zu einer regelrechten Zerreißprobe werden. Denn: Die Schwelle zwischen gesund und krank gleicht einem Drahtseilakt, über den er sich durchaus im Klaren ist: "Mir war bewusst, dass ich in Schwierigkeiten steckte, als ich an der Kante balancierte und mir wieder einmal einbildete, ich könnte hochspringen und fliegen – über dem Abgrund hin und her flattern und schweben."
Obwohl Mickey weiß, wie wichtig es für ihn ist, seine Medikamente regelmäßig und wie verordnet einzunehmen, beginnt er nach einiger Zeit immer wieder mit seinen Dosen zu experimentieren. Wenn ihm "stabil" als Zustand nicht ausreicht und er das Gefühl hat, dass eine andere Dosis besser sei, ändert er sie ab, was ihn über kurz oder lang wieder zum Zusammenbruch und in die Psychiatrie bringt. Da die Autorin jedes Kapitel mit einem Tagebucheintrag Mickeys beginnt, in welchem er seine Gefühle, Gedanken, Ängste und seine verzweifelte Sicht auf die Erkrankung schildert, werden die Zusammenhänge, die hinter der Krankheit stecken, besonders anschaulich dargestellt.
Durch ihre Arbeit als Psychiatrieschwester gelingt es Hancock, die Krankheit authentisch zu schildern, welches Außenstehenden helfen kann, ein Verständnis für eine Störung zu entwickeln, die auf den ersten Blick für Viele beängstigend erscheinen wird. Gleichzeitig helfen die Einträge dabei, den Roman zu strukturieren, da sie mit Datum versehen Orientierung bieten und sowohl Rückgriffe wie auch Zeitsprünge auf diese Weise sofort offensichtlich werden. Den auf Mickeys Worte folgenden Teil erzählt Hancock anschließend aus der Sicht Lucys, was es der Autorin ermöglicht, die Gedanken, Emotionen und Sorgen ihrer Protagonistin für den Leser fühlbar zu machen. Detailliert und sensibel geht sie auf ihre Figuren ein und bietet auf diese Weise viel Raum, sich mit ihnen zu identifizieren, um ganz in die Geschichte einzutauchen. Als der Krebs während der Schwangerschaft schließlich bei Lucy ausbricht, wird der Roman auf diese Weise besonders packend, denn die Mischung aus Hoffnung, Verzweiflung, Liebe und Angst hat eine regelrechte Sogwirkung.
Alles in allem ist Ka Hancock mit ihrem Roman ein fesselndes Debüt gelungen. Tanz auf Glas ist ein vielschichtiger Roman, der mehr zu bieten hat als eine einfache Liebesgeschichte mit Happy End, bei der das Ende von Anfang an klar zu erkennen ist. Obwohl die Geschichte am Ende schon etwas stark rührselig wird, ist es dennoch ein empfehlenswerter Roman, bei dem es nicht schaden kann, eine Packung Taschentücher in Griffnähe liegen zu haben.
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