Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer
- Der Hörverlag
- Erschienen: Januar 2013
- 2
- München: Der Hörverlag, 2013, Seiten: 6, Übersetzt: Ulrich Noethen, Bemerkung: vollständige Lesung
Drei Schicksale, drei Gedankenspielereien
Sie hätten sich begegnen können. Einmal in ihrem Leben. Im Jahr 1924 auf dem Bahnhof in Zürich. Doch der Moment blieb ungenutzt und das Schicksal hat die drei Protagonisten in Alex Capus´ Roman Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer nicht zusammen geführt. Obwohl Capus das sehr genau deklariert, wird der Leser das ganze Buch über darauf hoffen, dass es doch noch zur Begegnung kommt. Denn auch wenn die drei Personen nichts miteinander zu tun haben, so bilden sie doch eine Einheit. Sie, das sind die gescheiterte Sängerin Laura d’Oriano, der Künstler Emile Gilliéron und der Atomphysiker Felix Bloch, teilen eine Besonderheit: Das Schicksal hat ihnen allen sehr spezielle Lebenswege zugedacht. Und alle drei bewegen sich in einer Grauzone. Capus Erzähltalent und seine Bereitschaft, ungewohnte Aspekte einzubringen, machen den Roman zu einem besonderen Erlebnis.
Es braucht zunächst allerdings erst mal etwas Geduld, um sich nicht nur an den Erzählstil zu gewöhnen, sondern auch den drei verschiedenen Strängen zu folgen. Capus jongliert mit den drei Lebenswegen – allerdings macht er das höchst geschickt, so dass es keine Mühe bereit, sich immer wieder auf eine neue Situation und Sichtweise einzulassen und auch Genuss in der Abwechslung zu finden. Scheinbar mühelos vermag der Autor seine Leser durch einen Wirrwarr von Szenen zu führen und ihnen den Eindruck zu vermitteln, stets mit den jeweiligen Figuren mitzugehen und ihre momentanen Erlebnisse auf eine Art zu teilen, die sie zu Mitwissern macht. Ohne auf die Gefühlswelt seiner Figuren gezielt einzugehen, vermittelt Capus sehr viel Empathie. Die Entscheidungen der Figuren können gut nachvollzogen werden, wenn auch da und dort der Leser gerne eingreifen würde, um eine Fehlentscheidung zu verhindern.
Capus´ Stärke ist die Ambivalenz seiner Figuren. In der gewählten Konstellation kann er diese Stärke voll ausleben und seine Protagonisten auf einem rutschigen Parkett tanzen lassen, ohne dass sie ihre Ausstrahlung verlieren würden. Es mag durchaus sein, dass nicht jeder Leser mit allen drei Figuren gleichermaßen klar kommt. Doch wird jeder mindestens mit einer der Persönlichkeiten mitleben und dabei die anderen als Bereicherung empfinden können. Denn die Geschichten sind so aufgebaut, dass sie auch als Einzelschicksale funktionieren, obwohl sie ihre volle Kraft erst im Zusammenspiel entfalten können. Der Perspektivenwechsel, die unterschiedliche Lebenssituation und die drei starken, wenngleich so unterschiedlichen Persönlichkeiten spielen wunderbar ineinander.
Die niemals verklärende, immer faktenreiche und detailtreue aber nicht zu üppige Schilderung Capus’ bietet einigen Lesegenuss. Nicht ganz einfachen Lesegenuss zwar, aber dafür einen außergewöhnlichen. Sowohl die Gedankenspielerei mit der möglichen Begegnung der drei Protagonisten als auch die sehr gelungene Wiedergabe der Mechanismen, wie sie nur ein grausamer Krieg mit sich bringen kann, sind würzige Beigaben, die das ganze Gericht weit über das Gewöhnliche hinaus heben und ihm eine besondere Note verleihen.
Leider hat die wunderbare Erzählung auch ihre Schwachpunkte. Einer davon ist der knappe Raum, der Capus seinen Figuren einräumen kann. Man hätte viel mehr als gerade mal knapp 300 Seiten vertragen und wäre wohl gerne dem einen oder anderen Thema noch etwas ausführlicher gefolgt. Ob es ein Stilmittel von Alex Capus ist, sich so knapp zu halten – oder es eine Vorgabe war, den Roman nicht ausufern zu lassen, sei dahin gestellt. Letztlich ist es jedoch ein gutes Zeichen, ein Buch mit dem Gedanken wegzulegen, man hätte sich gerne noch wesentlich länger mit den Protagonisten auseinander gesetzt, als dies möglich gewesen war.
Capus schenkt seinem Publikum mit diesem Roman eine aussergewöhnliche Unterhaltung mit Tiefgang. Fiktion und Recherche vereinen sich hier zu einem ausgesprochen fein gesponnen Netz, in dem der Leser gefangen ist, sobald er die ersten Zeilen gelesen hat.
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