Die Analphabetin, die rechnen konnte
- Der Hörverlag
- Erschienen: Januar 2013
- 4
- München: Der Hörverlag, 2013, Seiten: 6, Übersetzt: Katharina Thalbach, Bemerkung: gekürzte Lesung
Clevere Latrinentonnenträgerin versus begriffsstutzigen Atombombeningenieur
Mit dem Erstlingswerk Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand, legte Jonas Jonasson einen so grandiosen Roman vor, dass dieser monatelang auf allen Bestsellerlisten zu finden war. Mit dem aktuellen Buch versucht der Autor nun an den Erfolg anzuschließen und hat sich dabei die Messlatte selbst immens hoch gelegt.
Nombeko Mayeki, ein 12 Jähriges Mädchen aus den Slums in Soweto, früh verwaist, arbeitet als Latrinentonnenträgerin, um mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen. Was im Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand Allan Karlsson, ist hier Nomebko. Gewitzt, gerissen und äußerst clever, sticht sie bald ihren Chef aus und wird selbst Chefin der Latrinentonnenträger. Als sie von einem betrunkenen Autofahrer niedergemäht wird, muss sie zur Strafe einige Jahre bei ihm als Putzfrau arbeiten. Schnell stellt sich heraus, dass dieser Autofahrer ein ständig betrunkener und etwas debiler Ingenieur ist, in dessen Händen es liegt, Atomtests durchzuführen und die Sprengkraft der Bomben zu verbessern.
Dann gibt es noch drei Chinesinnen, die sich darauf verstehen, Leute und Hunde zu vergiften, Zwillinge, die beide den Namen Holger tragen - von denen aber nur einer existiert, zwei israelische Agenten, die sich auf die Suche nach einer Atombombe machen, einen König, einen chinesischen Parteiobersten, einen schwedischen Ministerpräsidenten und einen südafrikanischen Präsidenten – ach ja, und noch ein sehr zorniges Mädchen. Das sind die Figuren, die rund um Nombeko das zentrale Geschehen beherrschen.
Jonasson hat mit seinem zweiten Buch das Rad – und auch sich selbst - nicht neu erfunden und bleibt seiner Linie treu. Im Grunde hat die Geschichte Pfiff und Witz, reicht aber dennoch nicht an den Debütroman heran. Stimmt das? Nun mag man sich fragen, warum das so ist, wenn er seinem Stil doch so absolut treu geblieben ist. Dieses Buch ist Im Grunde keineswegs schlechter als der Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand, was aber diesem Roman angelastet wird, ist, dass man Jonassons so smarten Erzählstil eben schon kennt. Ist das fair? Nein, sicher nicht. Die Analphabetin, die rechnen konnte ist ebenso stringent, mit demselben subtilen Humor und mit vielen unterschwelligen Andeutungen in Bezugnahme des vergangenen Weltgeschehens gespickt wie der Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand. Allerdings ist die Geschichte selbst komplexer gestrickt als das Erstlingswerk.
Jonassons Aneinanderkettung abstruser und skurriler Ereignisse, in denen so einige weltbekannte Politiker ihr Fett abbekommen, ist aber nicht eine nur auf Absurditäten gebaute Geschichte, sondern bietet zugleich auch eine gewisse Tiefgründigkeit. Was so locker leicht an politisch grausamen, unmenschlichen Handeln daherkommt, ist aber nichts anderes, als intelligent verpacktes Aufzeigen weltlicher Missstände und abrechnen mit korrupten, egozentrischen aber mächtigen Politikern. Was so nebenbei erwähnt wirkt, ist aber ganz bewusst eingestreut und gibt der smarten und kompakten Geschichte auch noch Tiefgang. Jonassons Blick und Anrechnen mit dem Fundamentalismus sind zweifelsfrei die Stärken des Buches. Schwächen gibt es leider auch und das liegt an so manchen Figuren, denen lediglich eine hervorstechende Eigenschaft verpasst wird, ohne mehr in die Tiefe zu gehen.
Wo soll man Jonassons Roman nun einordnen? Welchem Genre gehört er an? Ein literarisches Highlight ist er nicht, das war aber auch der Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand nicht und dennoch konnte er Millionen Leser begeistern. Es ist der immens gute Unterhaltungswert die Jonassons Bücher zu etwas gänzlich anderem machen - als einen banalen Roman. Die kosmopolitische Fantasie, mit der er seine Figuren durch die Geschichte reisen lässt sucht seinesgleichen. Ein Buch, welches man zur Hand nehmen sollte, um sich schöne und humorvolle Stunden zu bescheren, aber in dem man keinesfalls nach realistischen Begebenheiten suchen sollte. Wer das berücksichtigt wird auch mit Die Analphabetin, die rechnen konnte voll auf seine Kosten kommen.
Allerdings sei das Buch den Lesern empfohlen, die auch über ein Mindestwissen über die Weltpolitik des letzten Jahrhunderts verfügen, da man sich ansonsten durch die vielen Anspielungen auf diverse Handlungen der politisch Mächtigen schnell langweilen wird.
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