Der venezianische Therapeut
- Berlin University Press
- Erschienen: Januar 2002
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- Berlin: Berlin University Press, 2, Seiten: 276, Originalsprache
Kann n
Leona ist eine junge Frau, die ihr Leben auf den ersten Blick im Griff hat: Sie hat gerade ein Kunststudium abgeschlossen und verbringt nun ein Jahr in Venedig, der Stadt der Liebenden, um ihre Doktorarbeit über den Maler Giandomenico Tiepolo zu schreiben. Damit ihr Lebensunterhalt nicht komplett von den Zuwendungen ihres wohlhabenden Vaters, eines Arztes in Köln, abhängig ist, arbeitet sie nebenbei an der Universität und unterrichtet zweimal die Woche Studenten in ihrer Muttersprache.
Mit ihrer lebenslustigen Freundin Cara und ihrem schwulen Freund Justin hat sie zwei Leute an ihrer Seite, mit denen sie durch dick und dünn gehen kann.
Doch auf den zweiten Blick ist längst nicht alles so perfekt, wie es scheint, denn Leona leidet an Depressionen, die ihr schon im Studium Schwierigkeiten bereitet haben und sie auch in Venedig immer wieder heimsuchen. Daher beginnt sie schließlich eine Therapie bei Dr. Ettore Calozne, ein Psychotherapeut auf dem Festland, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Doch das ist auch mit Therapie nicht ganz einfach, vor allem, als sie den unnahbaren und undurchsichtigen Angelo kennenlernt.
Der Klappentext klingt vielversprechend und zunächst gelingt es Heidemarie Schumacher auch zu überzeugen. Leona ist gut charakterisiert, besonders die Beschreibungen ihrer Unsicherheit und ihrer Depressionen sind hervorragend gelungen und sehr glaubhaft dargestellt. Ebenso wie ihre widersprüchlichen Gefühle ihrem Therapeuten beziehungsweise ihrer Therapie gegenüber: Man spürt, dass sie gerne Hilfe annehmen möchte, dass sie ihr Leben verbessern und mit sich selbst besser auskommen möchte, doch andererseits blockt sie ab, wenn es an die wirklich schmerzhaften Themen geht, wenn sie dem eigentlichen Problem zu nahe kommt.
Neben Leona sind auch ihre Freunde interessant und vielschichtig und lassen einen an einigen Stellen immer wieder schmunzeln. Neben Cara und Justin ist dabei vor allem Giorgio zu erwähnen, der in seiner unnachahmlich herrlich hypochondrischen Art für den einen oder anderen Lacher gut ist.
Doch leider kann das Buch im Endeffekt nicht halten, was es verspricht. Leona entwickelt sich zwar weiter, nur leider für den Leser nicht immer nachvollziehbar. Natürlich sind bei einer Psychotherapie Rückschritte und –fälle normal, doch bei Leona lässt sich kaum ein Muster erkennen. Langsam dringt sie zum Kern des Problems vor, beginnt sich vorsichtig Gedanken darüber zu machen, was das wohl bedeutet, nur um im nächsten Augenblick wieder bockig die Augen davor zu verschließen. Wie viele Schritte sie nach vorne macht und wie viele dann wieder zurück, scheint völlig willkürlich zu sein.
Zudem gleitet die Geschichte immer mehr ins klischeehafte ab, als Leona ihre Affaire mit Angelo beginnt. Natürlich gibt es immer wieder Frauen, die sich aus einer Vielzahl von Gründen von Männern ausnutzen und wie Dreck behandeln lassen, doch hier wirkt die Geschichte, besonders vor Leonas Hintergrund und ihrer sonstigen Persönlichkeit, überzeichnet, nicht nachvollziehbar und man möchte als Leser die Protagonistin teilweise einfach nur noch schütteln und ihr einen Tritt in den Hintern geben.
Auch die später folgende Liebesgeschichte ist so voller Klischees, das es kaum Freude macht, sie zu lesen.
Die stilistische Eigenheit, unvermittelt von der Vergangenheits- in die Gegenwartsform zu wechseln, trägt dazu bei, dass der Lesegenuss erheblich geschmälert wird. Es bringt Unruhe in den Lesefluss und reißt den Leser immer wieder aus der Geschichte hinaus.
Der venezianische Therapeut ist ein Buch, das man sicherlich lesen kann – besonders Venedigkenner und –liebhaber werden an den Beschreibungen der Stadt ihre Freude haben – aber nicht lesen muss. Schade, dass aus einer interessanten Idee nicht mehr entstanden ist.
Heidemarie Schumacher, Berlin University Press
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