In einem Boot

Ein altes Zitat von Napoleon Bonaparte, das den Nagel auf den Kopf trifft: In Extremsituationen ist die Moral ausgeschaltet, Wertvorstellungen und Anstand existieren nicht, jeder kämpft für sich allein. Ein anderes Szenario: Ein Schiff geht unter, es gibt nicht genügend Rettungsboote und die wenigen, die es gibt, werden völlig überfüllt. Wer bekommt einen Platz? Wie reagiert man auf ertrinkende Menschen, die auch noch ins Boot wollen? Das eigene Leben retten und somit gleichzeitig Herr über Leben und Tod werden?

Schwierige Fragen, auf die sich so leicht und vielleicht auch allgemein keine Antwort finden lässt...

In einem Boot ist der erste Roman der amerikanischen Autorin Charlotte Rogan. Charlotte Rogan arbeitete als Architektin, ehe sie anfing zu schreiben. Die amerikanische Originalausgabe von In einem Boot erreichte auf Anhieb die New York Times Bestsellerliste.

Mit In einem Boot ist Charlotte Rogan ein interessanter Debütroman gelungen, der durch seine moralisch schwierige Fragestellung fesselt. Rogan schreibt ihren Roman aus der Perspektive von Grace, einer jungen Frau, die wochenlang auf dem offenen Meer mit vielen anderen Menschen auf einem Rettungsboot verbringen musste. Ohne Nahrung, Schutz und Orientierung sind die Insassen den Naturgewalten hilflos ausgeliefert. Jeder wird sich selbst der Nächste, mit jedem weiteren Tag sinken die Skrupel. Nachvollziehbar und realistisch schildert Rogan das Geschehen auf dem Boot. Obwohl aus der Sicht von Grace erzählt, fällt es schwer, sich völlig auf den Roman einzulassen und sich einzufühlen, was eindeutig an der düsteren und gespannten Atmosphäre der Handlung liegt, in der sich keiner gerne befinden möchte. Der in weiten Teilen unvorhersehbare Ausgang der Geschichte verleiht ihr eine fesselnde Spannung, die zum Weiterlesen animiert. Auch der Leser kommt nicht umhin sich selbst immer wieder zu fragen, wie er in Graces Situation gehandelt, gefühlt und reagiert hätte. Als negativ anzumerken sind die ständigen Rückblicke auf Graces Ehe und ihren Ehemann, die sich nur schlecht in die Geschichte einfügen. Auch der Handlungsstrang mit dem Seemann auf Graces Rettungsboot verläuft sich im Sand, so dass sich die Frage stellt, welchen Zweck die Stränge erfüllen sollten und ob weniger an dieser Stelle nicht doch mehr gewesen wäre.

Dem Roman ist durch strukturierte Überschriften, die eine gute Orientierung im Roman bieten, leicht zu folgen und auch sprachlich liest sich der Roman flüssig. Obwohl das Ende etwas schwammig wirkt, ist In einem Boot ein "runder" Roman.

Alles in allem eine interessante Geschichte, die viele ethische und moralische Fragen aufwirft, über die es sich lohnt Gedanken zu machen. Ein lesenswerter Roman, der auch nach der Lektüre nicht so schnell aus dem Kopf verschwindet!