Die Atmosphäre will nicht so recht greifen
Sie ist jung, kommt aus gutem Haus und weiß nichts mit ihrem Leben anzufangen: Als Ellen Trawton zu ihrer Tante Peg nach Irland reist, ist sie auf der Suche nach sich selber. Erstaunt lernt sie zunächst eine wesentlich größere Familie kennen als geahnt. Ellens Mutter hat ihre irische Heimat nicht nur hinter sich gelassen, sondern ihre Vergangenheit vor den Töchtern auch bewusst geheim gehalten. So kommen auf Ellen zunächst verschiedenste Eindrücke zu. Zum einen muss sie sich mit der weitverzweigten Verwandtschaft auseinander setzen, zum anderen fasziniert sie die Gegend, in der sie gelandet ist. Besonders angetan hat es ihr aber die geheimnisvolle Geschichte einer jungen Frau, die in einem alten Leuchtturm verbrannt ist und einen Mann mit zwei Kindern zurückgelassen hat. Obwohl Ellen das Unbehagen der Bevölkerung spürt, wenn sie Fragen zu dieser Geschichte stellt, will sie der Sache auf den Grund gehen. Dabei lernt sie den charismatischen Witwer Conor kennen. Sie kann sich seiner Ausstrahlung kaum entziehen. Je näher Ellen Conor aber kommt, desto spürbarer wird für sie, dass seine tote Frau Caitlin noch immer einen unheilvollen Einfluss auf ihn auszuüben scheint. Ellen scheint keine Chance zu haben, die düsteren Wolken zu vertreiben. Der jungen Frau setzt aber ein weiteres Geheimnis zu, das sie noch unmittelbarer betrifft – und das sie letztlich nur in London zu lösen vermag. So muss sich Ellen all dem stellen, vor dem sie geflüchtet ist.
Jetzt einen Vergleich von Sturmküste aus der Feder von Santa Montefiore mit den Romanen der Autorin Rosamunde Pilcher ziehen zu wollen, würde der einen wie der anderen Autorin nicht ganz gerecht werden. Und doch lässt sich eine gewisse Ähnlichkeit nicht leugnen. Santa Montefiore bedient sich für "Sturmküste" just jenem Muster, mit dem Pilcher ihren Erfolg begründete. Grundsätzlich geht es um eine junge Frau, die in wildromantischer Kulisse ihrem bisherigen Leben entfliehen möchte und dabei auf einen interessanten aber zunächst unnahbaren Mann trifft. Eine Spur Standesdünkel, mehrere Hindernisse und Missverständnisse bringen Würze in die Geschichte. Und natürlich das große Geheimnis, um das sich letztlich alles dreht. Santa Montefiore gelingt es recht gut, das Erfolgsrezept zu übernehmen und die richtigen Zutaten zusammenzutragen. Bis hin zur Ausgestaltung der handelnden Personen folgt sie dem Muster zielstrebig – und bleibt damit leider auch mehr oder weniger vorhersehbar.
Leider gelingt es Santa Montefiore nicht, die Leser nachhaltig in die Stimmung des beschriebenen Landstrichs einzubinden. So bleibt vieles an der Oberfläche und mit der Zeit wirken sich die wiederkehrenden Beschreibungen eher als störende Längen aus. Hier hätte ein wenig Zurückhaltung gut getan, um den Lesefluss nicht zu bremsen und das Tempo der Geschichte etwas zu erhöhen. Denn der Plot kommt alles andere als leichtfüßig daher. Zunächst muss sich der Leser damit zurechtfinden, dass eine der Erzählfiguren eine überaus diffuse Rolle einnimmt, die zumindest gewöhnungsbedürftig ist. Dann ist es aber auch die an sich tragende Figur Ellen, die einige Fragezeichen aufwirft. Sie wirkt mit ihren 33 Jahren wie ein verzogener Teenager, der noch immer auf der Suche nach sich selber ist. Die Zerrissenheit der Figur Ellen kommt zwar gut zum Ausdruck, doch steht sie auch zwischen der Figur und dem Leser. Der mag Ellen nicht so recht ins Herz schließen und würde ihr immer mal wieder gerne ein paar Ratschläge mit auf den Weg geben. Während aber Ellen immer eine gewisse Vielschichtigkeit aufweist, wird es bei anderen Figuren problematischer. So unter anderem die warmherzige Tante Peg, die in ihrer Gutmütigkeit so weit geht, dass sie als naiv und weltfremd empfunden wird. Auch anderen Charakteren hätte eine etwas ausgereiftere Persönlichkeit durchaus gut getan. Santa Montefiore hätte ein paar Personen weniger in die Geschichte einbauen können und dafür den anderen etwas mehr Leben einhauchen sollen.
Letztlich ist Sturmküste eine wenig facettenreiche Geschichte, die sich zwar leicht lesen lässt, aber kaum Eindruck hinterlässt, wenn die letzte Seite gelesen ist. Der Roman bietet solide Unterhaltung und wird vor allem jene Leserschaft ansprechen können, die sich in die Erzählungen von Rosamunde Pilcher und Maeve Binchy fallen lassen mag.
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